Carte Blanche - Ein Bond-Roman
ich viel vom Belauschen halten würde.«
Felix Leiter, ein ehemaliger Marine, den Bond beim Militärdienst kennengelernt hatte, war ein HUMINT -Spion. Er bevorzugte eindeutig die Rolle eines Agentenführers, der auf ein Netzwerk einheimischer Unterstützer wie Yusuf Nasad zurückgriff. »Ich habe eine Menge Gefallen eingefordert und mit all meinen wichtigen Quellen gesprochen. Was auch immer Hydt und seine lokalen Kontakte vorhaben, sie halten fest den Deckel drauf. Ich kann nichts finden. Niemand hat irgendein potenziell gefährliches Zeug nach Dubai geschmuggelt. Niemand hat seine Freunde oder Angehörigen gewarnt, heute gegen neunzehn Uhr diese Moschee oder jenes Einkaufszentrum zu meiden. Und es schleichen sich auch keine finsteren Gestalten von der anderen Golfseite ins Land.«
»Dafür ist der Ire verantwortlich – für die umfassende Geheimhaltung, meine ich. Ich weiß nicht genau, was er für Hydt macht, aber er ist verdammt clever und denkt stets an die Sicherheit. Es ist, als könne er voraussehen, was auch immer wir tun werden, und es rechtzeitig vereiteln.«
Sie verstummten und schauten sich beiläufig um. Der Kerl mit der blauen Jacke blieb verschwunden. Auch Hydt und der Ire waren nirgendwo zu sehen.
»Bist du immer noch ein Schreiberling?«, fragte Bond.
»Aber sicher«, bestätigte der Texaner.
Leiters Tarnidentität war die eines freiberuflichen Journalisten und Bloggers mit dem Schwerpunkt Musik, vor allem Blues, R & B und Afro-Karibik. Journalismus dient Geheimagenten häufig als Tarnung; er ist eine glaubwürdige Erklärung für ihre häufigen Reisen, oft an Krisenherde und in die weniger angenehmen Ecken der Welt. Leiter hatte das Glück, dass seine falsche Identität zu seinen privaten Interessen passte; es kam immerhin vor, dass ein Agent es wochen- oder monatelang in seiner Rolle aushalten musste. Der Filmemacher Alexander Korda – angeworben durch den berühmten britischen Meisterspion Sir Claude Dansey – nutzte im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs angeblich die Suche nach geeigneten Drehorten als Gelegenheit dafür, Sperrgebiete zu fotografieren. Bonds reizlose Tarnidentität als Sicherheits- und Integritätsanalytiker der Overseas Development Group zwang ihn im Verlauf eines Einsatzes zu unerträglich langweiligen Pflichtübungen. Wenn es mal besonders schlecht lief, sehnte er sich danach, als Ski- oder Tauchlehrer fungieren zu dürfen.
Nun beugte Bond sich vor, und Leiter folgte seinem Blick. Sie sahen zwei Männer aus dem Haupteingang des Intercontinental kommen und auf ein schwarzes Lincoln Town Car zugehen.
»Das sind Hydt und der Ire.«
Leiter wies Nasad an, er solle seinen Wagen holen. Dann zeigte er auf einen verstaubten alten Alfa Romeo, der auf einem nahen Parkplatz stand. »Das da ist mein fahrbarer Untersatz«, flüsterte er Bond zu. »Auf geht’s.«
27
Der Lincoln, in dem Severan Hydt und Niall Dunne saßen, fuhr durch Dunst und Hitze langsam in Richtung Osten, parallel zu den dicken Überlandleitungen, von denen die äußeren Regionen des Stadtstaats mit Strom versorgt wurden. Ganz in der Nähe erstreckte sich der Persische Golf, dessen eigentlich dunkles Blau durch den Staub in der Luft und das blendende Licht der tief stehenden, aber unvermindert starken Sonne fast zu Beige abgeschwächt wurde.
Sie folgten einer gewundenen Strecke, vorbei an der riesigen Halle mit der künstlichen Skipiste, dem eindrucksvollen Burj al Arab Hotel, das einem geblähten Segel ähnelte und fast so hoch wie der Eiffelturm war, und der luxuriösen Palm Jumeirah, einer künstlichen Insel voller Geschäfte, Wohnhäuser und Hotels, die sich weit in den Golf erstreckte und – der Name verriet es – wie eine gigantische Palme geformt war. Severan Hydt mochte solche Beispiele glänzender Schönheit nicht, das Neue, Makellose. Es gefiel ihm wesentlich mehr, dass der Wagen nun das ältere Viertel Satwa erreichte, dicht bevölkert von Tausenden und Abertausenden von Menschen aus der Arbeiterschicht – überwiegend Immigranten.
Es war fast siebzehn Uhr dreißig. Noch anderthalb Stunden bis zu dem großen Ereignis. Auch die Sonne würde um neunzehn Uhr untergehen, hatte Hydt ironisch festgestellt.
Seltsamer Zufall, dachte er. Ein gutes Zeichen. Seine Vorfahren – in spiritueller und nicht notwendigerweise leiblicher Hinsicht – hatten an Omen und Vorzeichen geglaubt, und er gestattete sich das auch. Ja, er war ein pragmatischer, nüchterner Geschäftsmann … doch da gab es ja noch seine
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