Carte Blanche - Ein Bond-Roman
Unterstützung zurückgreifen konnte. Zur Sicherheit beschloss er, überhaupt keinen seiner Landsleute zu kontaktieren – was wirklich schade war, denn der Generalkonsul in Dubai war schlau und gewitzt … und mit Bond befreundet. Er bat Bill Tanner per SMS , Six nicht zu unterrichten.
Dann wandte Bond sich per Bordsprechanlage an den Piloten und erkundigte sich nach dem Status des Jets, den sie verfolgten. Wie sich herausstellte, hatte die Flugsicherung sie angewiesen, ihre Geschwindigkeit zu drosseln. Das galt aber nicht für Hydt, und daher würden sie ihn nicht überholen können, sondern mindestens eine halbe Stunde nach ihm landen.
Verdammt. Diese dreißig Minuten konnten für etwa neunzig Leute den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Bond starrte aus dem Fenster auf den Persischen Golf. Er nahm sein Mobiltelefon und ging in Gedanken ein weiteres Mal die Liste all derer durch, die ihm einen Gefallen schuldeten. Dann suchte er eine Nummer heraus. Ich fühle mich allmählich wie Lehman Brothers, dachte er. Meine Verpflichtungen sind weitaus größer als meine Aktivposten.
Bond tätigte einen Anruf.
24
Die Limousine mit Severan Hydt, Jessica Barnes und Niall Dunne hielt am Intercontinental Hotel, gelegen am breiten, friedlichen Dubai Creek.
Der stämmige, wortkarge Fahrer war ein Einheimischer, dessen Dienste sie schon bei früheren Gelegenheiten in Anspruch genommenen hatten. Genau wie Hans Groelle in England fungierte er zudem als Leibwächter (und tat bisweilen auch mehr als das).
Sie blieben im Wagen, während Dunne einen Text oder eine E-Mail las. Dann schaltete er sein iPhone aus und blickte auf. »Hans hat den Fahrer des Bentley ermittelt«, sagte er zu Hydt. »Das ist interessant.«
Groelle hatte jemanden bei Green Way angewiesen, das Nummernschild zu überprüfen. Hydt klopfte mit den langen Fingernägeln gegeneinander.
Dunne vermied es, sie anzusehen. »Und es gibt eine Verbindung zu March«, fügte er hinzu.
»Ach ja?« Hydt versuchte, aus Dunnes Miene schlau zu werden, doch sie blieb wie üblich zutiefst verschlossen.
Der Ire sagte nichts mehr – nicht solange Jessica anwesend war. Hydt nickte. »Wir checken jetzt ein.«
Hydt schob die Manschette seines eleganten Jacketts zurück und sah auf die Uhr. Noch zweieinhalb Stunden.
Die Zahl der Toten wird bei ungefähr neunzig liegen.
Dunne stieg als Erster aus und sah sich wie immer nach etwaigen Gefahren um. »In Ordnung«, sagte der Ire mit seinem leichten Akzent. »Alles klar.«
Hydt und Jessica stiegen in die erstaunliche Hitze aus und eilten sogleich weiter in die kühle Lobby des Intercontinental, die von einem phänomenalen drei Meter hohen Gesteck aus exotischen Blumen dominiert wurde. An einer nahen Wand hingen Porträts der Herrscherfamilien der Vereinigten Arabischen Emirate, und ihre Gesichter blickten streng und selbstsicher auf alle Anwesenden herab.
Jessica unterschrieb für das Zimmer. Es war auf ihren Namen reserviert worden, wiederum auf Anregung von Dunne. Sie würden zwar nicht lange bleiben – der Weiterflug war für den heutigen Abend angesetzt –, aber es war hilfreich, einen Ort zu haben, an dem man die Koffer lassen und sich ein wenig ausruhen konnte. Sie übergaben ihr Gepäck nun dem Chefpagen, damit der es nach oben bringen ließ.
Hydt winkte Dunne beiseite. Jessica blieb neben den Blumen stehen. »Der Bentley, wer war das?«
»Zugelassen auf eine Firma in Manchester – unter derselben Adresse wie Midlands Disposal.«
Midlands gehörte zu einem größeren Verbrechersyndikat, das vom südlichen Manchester aus operierte. In Amerika war der Mob seit jeher in die Abfallbeseitigung involviert, und in Neapel, dem Sitz der Camorra, wurde das Geschäft mit dem Müll auch als Il Re del Crimine bezeichnet. In Großbritannien interessierte das organisierte Verbrechen sich insgesamt zwar weniger für diesen Wirtschaftszweig, aber mitunter kam es doch vor, dass irgendein lokaler Unterweltboss sich wie ein schwerer Junge aus einem Guy-Ritchie-Film plötzlich gewaltsam auf den Markt drängen wollte.
»Und heute Morgen sind die Bullen auf der Baustelle in March aufgetaucht«, fuhr Dunne fort. »Sie haben Fotos von jemandem herumgezeigt, der gestern in der Gegend gesehen wurde. Er wird wegen schwerer Körperverletzung gesucht. Und er arbeitet für Midlands. Die Polizei sagt, er sei verschwunden.«
Was ja kein Wunder ist, wenn die Leiche unter tausend Tonnen Lazarettschutt begraben liegt, dachte Hydt. »Was hat
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