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Caruso singt nicht mehr

Titel: Caruso singt nicht mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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einer, der schon in den siebziger Jahren die Flucht aufs Land angetreten hatte. Paul wußte gar nicht mal so genau, warum er ihn nicht leiden konnte. Der Mann machte ihn aggressiv. Er war ein Besserwisser. Immer authentisch-identisch. Immer politisch korrekt. Und immer, außer im Hochsommer, in einem abgewetzten kaffeebraunen Lamafummel, einem dieser Pullover, mit denen man sich früher in Dritt-Welt-Läden das gute Gewissen bestätigte. Wenigstens, dachte Paul angewidert, trägt er mittlerweile keinen Palästinenserfeudel mehr um den Hals.
    »Und?« fragte Moritz, der offenkundig nicht wußte, ob er sie duzen durfte, »wird hier ermittelt?«
    »Wir sind«, entgegnete Karen gepflegt, »mitten in der Beweisaufnahme«, und leerte ihren Persico, als ob er ihr schmeckte. »Und was weißt du?« fragte sie einladend.
    Moritz zuckte mit den Schultern und zog sich einen Stuhl an den Tisch.
    »Die Weiherhof-Leiche? Man tippt hier allgemein auf Drogenschmuggler oder die russische Mafia. Oder«, Moritz kniff die Augen zusammen, »auf den Pferdeschlitzer.« Das hielt er offenbar für eine besonders naive These.
    Karen legte den Kopf zur Seite und sah ihn prüfend an. »Und du?«
    »Anne«, erwiderte der ergraute Landfreak knapp, der sich keineswegs zu wundern schien, daß sich die Frankfurter Staatsanwaltschaft für den Fall interessierte. »Sie hatte ihren Alten doch längst dicke.«
    Karen merkte, wie Paul neben ihr tief Luft holte, und legte ihm beruhigend die Hand aufs Knie. Er wäre, das spürte sie, seinem alten Bekannten am liebsten in aller Öffentlichkeit an die Gurgel gegangen.
    »Ach«, sagte Karen interessiert. »Woher weißt du das?«
    Moritz strich sich bescheiden durch den dünnen Bart. »Man hört so einiges. Und es liegt doch nahe, oder?«
    »Die Statistik jedenfalls spricht dafür«, sagte Karen und nickte. »Nur verstehe ich dann nicht, warum sie die Leiche nicht weggeschafft hat – statt sie auch noch auf dem eigenen Hof regelrecht auszustellen.«
    Moritz strich sich wieder durch den Bart. Dazu, sah Paul mit Genugtuung, fiel ihm nichts ein.
    »Dieser Mord wirkt auf Effekt kalkuliert.« Ausnahmsweise sprach Karen mal leise. Nichtsdestotrotz merkte Paul, wie die Männer um sie herum versuchten, jedes Wort mitzubekommen. »Eine intelligente Person würde so nicht vorgehen. Höchstens eine Verrückte.«
    »Ich tippe«, sagte Paul, leicht ironisch, schon weil er sich da gar nicht so sicher war, »ebenfalls auf die Mafia. Oder auf die Lobby der Rindfleischindustrie. Auf radikale Tierschützer.«
    »Oder auf alte Seilschaften aus der DDR?« fragte Moritz spöttisch. Paul guckte irritiert. »Ja wußtest du das nicht?« triumphierte der Schreiner.
     
    »Wußtest du das wirklich nicht?« fragte Karen, als sie in Pauls Küche vor dem Herd standen, in dem das Kaninchen duftete. »Ich habe übrigens Hunger.«
    »Nein, keine Ahnung. Sie hat nichts erzählt.« Paul gab weiter, was Kosinski über Annes Vorleben berichtet hatte.
    »Das wenige, was ich über sie weiß, habe ich nicht von ihr erfahren«, mußte er zugeben. »Und die Verbindung zur DDR hat Kosinski ausgelassen.«
    Karen zögerte. Sie hütete sich normalerweise davor, Privates mit ihrem Beruf zu vermischen. Aber irgendwie berührte sie der Fall – nicht nur, weil Paul sich für die Hauptverdächtige interessierte. Und eigentlich sprach wenig dagegen, den Inspektor einmal anzurufen, der Paul, was ungewöhnlich genug war, schon soviel erzählt hatte. Vielleicht war er kooperativ.
    Sie setzten sich ins Wohnzimmer zum knisternden Kaminfeuer und aßen in einer unbefangenen Stille, die sich nur erlauben konnte, wer schon lange und verläßlich befreundet war. Das ganze Haus duftete nach Holzfeuer und Schmorkaninchen, und nur das anhaltende Motorengeräusch von draußen beunruhigte Paul etwas. Als Karen von ihrem Teller aufsah und mit zusammengezogenen Augenbrauen die geblähten Nüstern in alle Himmelsrichtungen hielt, grinste er, fast entschuldigend.
    »Bauer Knöß«, gestand er mit fester Stimme, »fährt Schweinegülle.«
    »Um diese Uhrzeit?«
    » Nur um diese Uhrzeit«, sagte Paul.
    Karen ließ geräuschvoll die Gabel auf den Teller fallen und prustete. »Um Himmels willen, Paul! Wie hältst du das aus?«
    Er hielt es aus. Das war ja das Wunder.
    Sie waren beim Nachtisch, als beide gleichzeitig das Geräusch hörten. Draußen pfiff es – laut und durchdringend. Eine Fledermaus konnte es nicht sein, eine Eule oder ein Uhu oder ein Käuzchen klangen, wenn Paul

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