Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
Hölle. Wenn sie mich schlagen, tut es überhaupt nicht weh. Ich weià schon gar nicht mehr, dass es wehtut. Manchmal denke ich, dass mir überhaupt nie wieder etwas wehtut. Ich kann mir mit dem Messer in die Hand stechen, und es tut überhaupt nicht weh. Wenn ich will, tut es nicht weh. In der Seele, da tut es weh. Im Herzen. Wie bei der Sache mit Palita. Und dass dieser ehemalige Geliebte hier aufgekreuzt ist und herumschnüffelt und so tut, als wäre er bereit, ihr Leben zu leben, mein Leben. Und auch noch behauptet, er hätte keinen Pfifferling mehr in der Tasche, so wie du und ich, und dabei ist er ein kultivierter Mensch. Ein Argentinier.«
»Ein dreckiger Südamerikaner!«
»Rocco. Er heiÃt Rocco.«
»Hat er sie ermordet?«
»Nein. Wahrscheinlich weià er nicht mal, dass sie tot ist. Ich würde es ihm gerne sagen, aber ich habe Angst, dass sich die Polizei an meine Fersen heftet.«
»Wenn du willst, komme ich mit und passe auf, dass uns keiner folgt.«
In Cayetanos Augen leuchteten zwei Glühbirnen auf, und unter rheumatischem Knacken sprang er auf die Beine. Mit Curro im Gefolge marschierte er am Friedhof von Poblenou vorbei und gelangte an die Ränder der Villa OlÃmpica. Von dort ging es weiter in Richtung der drei Schornsteine des Wärmekraftwerks an der Mündung des Besós, und als es so aussah, als würde er weiter diesem Kurs folgen, bog Cayetano auf einmal nach rechts in das Viertel von La Mina ein, eine graue Welt aus grauen Würfeln für Menschen, die keiner mehr brauchte.
»Was für ein Hin und Her.«
»Der gerade Weg ist nicht immer der beste.«
»Palita war also ein gerissenes Flittchen.«
»Das war sie. Mit einer richtig heiÃen Muschi, so weich wie Teig.«
»Und sie wusste über Folter und Obdachlose Bescheid.«
»Deshalb ist sie aus ihrer Heimat weg, hat sie jedenfalls erzählt, aus Buenos Aires. Ich weià nicht, ob es was damit zu tun hatte, dass sie von der Sache mit den Obdachlosen wusste, aber es muss was ziemlich Wichtiges gewesen sein, weil sie ständig diese Alpträume hatte und im Schlaf geredet hat, in einem merkwürdigen Argentinisch, das ich nicht verstanden habe. Und dann weinte sie, vor Angst, als ob ihr die Träume Angst machten. Seit ihr früherer Macker das letzte Mal aufgetaucht war, hatte sie noch schlimmere Alpträume. Er war mit ihr nach Spanien geflohen, später hat er sie dann verlassen. Er war viel in Europa unterwegs, in den USA, der Typ war Professor, keine Ahnung, was für einer. Aber ein paar Monate später kam er zurück, und von da an war sie nie mehr die alte, so wenig, dass sie sich irgendwann umbringen lieÃ.«
Cayetano brach in Gelächter aus. Curro fluchte.
»Was soll die ScheiÃe, Mann, du bist wirklich ein komischer Kauz. Erst weinst du über den Tod deines Flittchens, und jetzt lachst du dich schlapp.«
»Wie wenig du doch über Bettler weiÃt. Wir sind so. Der ganze Dreck ist wie ein Panzer, der sich um unsere Körper und Seelen gelegt hat. Wenn ich etwas zu tief ins Glas schaue, fange ich an, mir Gedanken über meinen Zustand zu machen. Palita mochte es, wenn ich über das Leben auf der StraÃe philosophiert habe. âºDu hättest studieren sollen, Cayetanoâ¹, hat sie immer gesagt. âºDann hättest du vielleicht irgendwann gewusst, was ein Paradox ist, und vor allem, was zwei Paradoxe sind.â¹ Curro, was kannst du mir über Paradoxe sagen?«
13 Das Schweigen des Lamms in KapernsoÃe
»Es war tatsächlich Rocco. Ich hatte ihn seit Jahren, viel zu vielen Jahren nicht mehr gesehen. Er kam mit einer seltsamen Bitte zu mir. Ich sollte ihm helfen, Helga zu finden, bevor es die anderen täten. Das hat er mehrmals wiederholt. Bevor es die anderen tun.«
»Wer waren diese anderen?«
Dorotea zuckt mit den Schultern und nutzt die Entdeckung, dass sich drei Gedecke auf dem Tisch befinden, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken.
»Erwarten wir einen Gast?«
»Meinen Nachbar Fuster. Ich habe etwas gekocht, das Sie unbedingt probieren müssen. Bevor er hier ist. Und noch mal kommen Sie mir nicht mit der halben Wahrheit davon. Wer waren die anderen? Was hat Helga so in Panik versetzt, dass sie nach Spanien geflohen ist? Und das Kind? Ist es Zufall, dass ihre Schwester ihr bis hierher gefolgt ist? Warum hat sie das getan?«
Doch Doroteas Zunge scheint
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