Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte
machen würde. Meine Exfrau hat immer Grappa getrunken, aber was ist das schon gegen einen guten Tresterbrand â¦Â« Er hielt seiner neuen Bekanntschaft die Flasche hin. »Keine Sorge, ich hab kein Aids.«
»Woher willst du das wissen?«
»Jedes Mal, wenn mich die Bullen einkassieren, verhören sie mich nackt. Mann, du glaubst ja gar nicht, wie nackt man sich fühlt, wenn sie einen zwingen, sich auszuziehen. Ich hol mir irgendeine schlimme Krankheit, sie stecken mich ins Krankenhaus, die Ergebnisse sind wie gemalt. Ich habe nichts. Nicht mal zu hohes Cholesterin. Für die Gesundheit gibt es nichts Besseres, als arm zu sein.«
Besorgt verfolgte Cayetano, wie der zurückhaltende Bettler einen langen Schluck von seinem Tresterbrand nahm.
»He, lass noch was übrig!«
Vor ihnen erstreckte sich ein Horizont aus Müllkippen, wo sie nach den Resten des früheren Armenviertels suchten, das abgerissen wurde, um einer Luxuswohnsiedlung zu weichen, wie Cayetano mit lauter Stimme und Madrider Akzent von einem englischsprachigen Schild ablas. Sie lieÃen sich auf dem nieder, was einmal der Boden einer armseligen Hütte gewesen war.
»Wenn mir die Polizei auf den Fersen ist, meide ich das Zentrum«, sagte Cayetano. »Ich arbeite nicht gern im Zentrum, zu viel Konkurrenz, auÃerdem sind mir die Leute dort zu hektisch. In diesem Land sind alle viel zu hektisch.«
»Was wollte die Polizei von dir?«
»Sie suchen den Mörder von Palita.«
»Palita?«
»Meine frühere Partnerin, eine Schlange, ein gerissenes Flittchen.«
»Ein gerissenes Flittchen.«
»Eine Schlange, ein Flittchen. Und eine Kuh. Sie wurde in der Metro abgestochen und einfach dort liegengelassen. Nein, ich geh nicht mehr ins Zentrum. Höchstens um was zu essen. Den Leuten macht es SpaÃ, uns Bettlern was zu essen zu geben. Manchmal esse ich was, obwohl ich überhaupt keinen Hunger habe, aber sie mögen dich, wenn sie wohltätig zu dir sein dürfen. Auch Palita ist da immer hingegangen, aus dem gleichen Grund, obwohl sie immer schlecht drauf war und sich mit allen angelegt hat, wenn sie betrunken war.«
»Wer könnte sie umgebracht haben?«
»Sie hat die Beine für jeden in der Branche breitgemacht, aber manchmal war sie auch sehr eigen und hat sie nicht breitgemacht, egal was man ihr gab, selbst eine Tracht Prügel hat da nicht geholfen. Wahrscheinlich war es das. Irgendein Arschloch wollte sie vögeln, und sie hat sich geweigert.« Das Schweigen des anderen ermunterte Cayetano weiterzureden. »Vielleicht dieser ehemalige Geliebte, das war keiner von uns. Er hat zwar mit uns gegessen, aber er war keiner von uns.«
Cayetano lieà sich auf den Rücken fallen und betrachtete den Himmel. Ein Auge schloss er, während er mit dem anderen seinen Begleiter musterte.
»Was arbeitest du so? Wie heiÃt du?«
»Du kannst mich Curro, der Malocher, nennen, wenn du schon vom Schuften sprichst. Im Moment schaue ich mich nach was Neuem um. Im Knast von Modelo habe ich in der Werkstatt malocht. Ich hab ein paar Kröten gespart, um durchzuhalten, solange ich die Lage ausbaldowere und mich nach neuen Abenteuern umschaue. In meinen besten Zeiten habe ich Dunkelhäutige, Araber und Afrikaner nach Frankreich geschleust, da fehlt es an Arbeitskräften, und ohne Leute wie uns könnte man es in Spanien gar nicht aushalten vor lauter Dunkelhäutigen. Aber jetzt will ich mich nach was Neuem umsehen. Ohne Fehler zu machen. Ich habe keine Lust mehr, im Bau zu landen.«
Cayetano fing zu husten an. Er konnte gar nicht mehr aufhören.
»Gehtâs dir nicht gut?«
»Weder gut noch schlecht.«
»Haben dich die Bullen geschlagen?«
»Nein. Die fassen dich hart an und reden mit dir wie mit einem Hund. Manchmal schnappen sie sich auch einen Pennbruder und benutzen ihn als Versuchskaninchen, da ist schon so mancher bei draufgegangen. Wer sollte sich auch beschweren? Palita hat mir fürchterliche Geschichten aus Argentinien und Uruguay erzählt, da werden Obdachlose gequält, um das Foltern von Roten zu trainieren und solche Sachen. Sie grapschen mich an. Sie zerquetschen mein Gesicht. Sie drohen, mir ihre Kniespitzen in die Eier zu rammen. Ich hätte das Recht auf einen Anwalt. Dass ich nicht lache. Das Gesetz gesteht es Obdachlosen zu, einen Anwalt zu verlangen, aber sobald du das tust, machen sie dir das Leben erst recht zur
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