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Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte

Titel: Carvalho und das Mädchen, das Emmanuelle sein sollte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuel Vázquez Montalbán
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bist unsichtbar, verstehst du? Ich kann nicht in diese Kneipe für arme Leute, weil sie keine Angst vor mir haben. In eine Bar für Reiche kann ich gehen, weil sie keine Ahnung haben, wie sie mich rausschmeißen sollen. Sie haben Angst vor mir. Eine seltsame Angst. Tief im Inneren. Es geht ihnen auf den Sack, dass es Obdachlose gibt, verstehst du? Wir warten hier, bis Rocco kommt. Wir machen das immer so, wenn wir uns verabreden. Er tut so, als will er in die Kneipe, aber dann geht er vorbei, ich klettere den Abhang runter und folge ihm bis um die nächste Kurve. Da ist es dunkel, und wir können reden, ohne dass uns ein Polizeispitzel sieht. Ich habe ihn genauso kennengelernt wie dich, in derselben oder einer ähnlichen Armenküche. Wir standen vor den großen Töpfen Schlange. Rocco war einer unter vielen. Ich saß neben Helga, der Palita. Ich weiß nicht, aber immer wenn ich sie Helga nenne, habe ich den Eindruck, von einer anderen zu reden. Ich habe gleich gesehen, dass irgendwas nicht stimmt. Sie hatte Rocco wiedererkannt. Sie wollte schon zu ihm, hat sich dann aber zusammengerissen. Ich habe einfach weitergelöffelt, ein Löffel nach dem anderen, in meinem Rhythmus, ganz langsam, nicht dass die Alte noch schlechte Laune kriegt und mir die Suppenschale aus der Hand schlägt. Und dann kam Rocco und hat sich zu uns an den Tisch gesetzt, als wäre es das Normalste auf der Welt. Auge in Auge, als wären wir durch unsere Blicke miteinander verbunden. Palita musste irgendwas tun, und da hat sie zu ihm gesagt, als würde sie ihn anspucken:
    â€ºHabe ich da was im Gesicht?‹
    â€ºUnd ich?‹, hat Rocco geantwortet.
    â€ºNormalerweise schauen Männer Frauen nur an, wenn sie vögeln wollen oder wenn sie die Frau von irgendwoher kennen‹, sagte Palita. ›Kennen wir uns vielleicht? Rocco?‹
    Der Typ erstarrte zu Eis. Auch ich rührte mich nicht. Schließlich wurden seine Augen feucht, und er sagte mit einem Kloß im Hals:
    â€ºHelga.‹
    Ich musste etwas tun und werde pampig, sehe die Alte an und sage gereizt:
    â€ºPalita. Heißt du nicht Palita?‹
    â€ºHalt’s Maul, Schwachkopf, und friss weiter diesen Scheiß.‹
    Sie stand auf und machte Rocco ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie setzten sich an einen anderen Tisch und fingen an zu reden. Er wollte zärtlich sein, vertraulich, aber sie hat es nicht zugelassen, sie hatte eine Stinkwut auf ihn. Plötzlich brüllte sie ihn an: ›Wir sind Sieger! Ich komme zurecht, so gut ich kann, und du? Bist du, was du zu sein scheinst, oder suchst du nur den Nervenkitzel?‹ «
    Cayetano verstummte. Er ließ seinen Blick in alle Richtungen schweifen, auf der Suche nach den verstreuten Bildern seiner Erinnerung. Doch seinem Gefährten schweigt er zu lange.
    Â»Das war’s? Das ist alles?«
    Â»Palita wurde zu seiner Beschützerin.«
    Â»Sie hat Rocco beschützt?«
    Â»Ja, und sie hat mich gebeten, ihr dabei zu helfen. Er sei in Gefahr, und wenn Rocco in Gefahr wäre, wäre sie das auch. Also habe ich sie bei ihren Treffen unterstützt und ihm geholfen, sich zu verstecken. Palita und ich haben ihm sämtliche Verstecke gezeigt, die wir in der Stadt kennen, vor allem die sichersten, sogar die übriggebliebenen Luftschutzbunker aus dem Bürgerkrieg.«
    Â»Ging das lange so?«
    Â»Bis sie verschwand.«
    Â»Verschwand?«
    Â»Ja. Und dann fing der Typ an, mir auf die Eier zu gehen.«
    Cayetano verfolgte, wie die Viertelstunden auf den sechs Uhren an seinen Handgelenken verstrichen, während er im Stillen über die Unzuverlässigkeit aller sechs fluchte.
    Â»Weißt du, wie spät es ist?«
    Curro hielt ihm seine leeren Handgelenke hin.
    Â»Ein Mann verdient es, eine Uhr zu tragen, und wenn es nur eine einzige ist. Das hat mein Vater gesagt, als er mir meine erste Uhr schenkte, eine Duward.«
    Â»Ich habe meine im Knast verspielt, und jetzt spare ich die Kröten lieber und gebe sie für was Wichtigeres aus.«
    In Gegenwart von Curros zeitlicher Nacktheit fühlte sich Cayetano plötzlich unbehaglich mit seinen sechs Uhren, und er äußerte seine verborgenen Zweifel.
    Â»Ich würde dir ja eine geben, aber die gehen alle nicht richtig. Und dieser Typ kommt nicht. Mal sehen, ob ... Vielleicht haben sie ihn erwischt, denn als ich heute Morgen das Polizeipräsidium verlassen habe, durch den Haupteingang, so wahr ich hier

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