Cash
Stockwerke mit Kacknasen hier drunter loswerden.«
Little Dap und Tristan versteckten sich hinter der jetzt weit geöffneten Dachtür, atemlos, Tristans Hand wie eine Klaue am äußeren Türknauf. Die beiden verharrten in der Hocke, bis die Zigarettenkippen über die Kante geschnippt wurden, die Bullen sich umdrehten und zurückgingen, ohne zu merken, hoffte Little Dap inständig, dass die Tür jetzt weit offen stand und die beiden dahinter kauerten. Im letzten Moment musste Little Dap Tristans Hand vom Türknauf reißen, damit die Bullen das Scheißding hinter sich zumachen konnten. Noch immer in der Hocke lauschten sie dem Echo ihrer Schritte auf dem Weg hinunter, dann rannten sie endlich zur Westecke des Daches, um sich anzusehen, woher sie gerade gekommen waren. Weder konnten sie durch das Gezacke aus Mietshäusern, neuen grünen Glashochhäusern und turmhohen Aufstockungen hindurchsehen, noch hörten sie Sirenen oder irgendwelche anderen Alarmgeräusche, aber die Leiche lag da, sie lag da hinten.
Tristan stand wie angewurzelt im feinen Kies, die Zunge ledrig in seinem Mund, während Bilder und Gefühle um ihn herumhüpften: das kleine Zucken im Finger, als er abdrückte, wie der Typ beim Aufschlag hochguckte und das Weiß in seinen Augen darunter ganz zu sehen war, dann wieder und wieder der unerwartete Ruck in seiner Hand wie das Schnappen eines Hundes, als die 22er buckelte. Hatte er absichtlich geschossen? Er wusste es nicht. Aber es ging ihm gut.
Zu seiner Überraschung musste er an früher denken, als er klein war und mit seiner Großmutter in dieser anderen Siedlung in Brooklyn wohnte, an den Tag, als er mit den anderen Kindern im Fahrstuhlschacht rumtobte, von der Kabine, die nach oben fuhr, auf die andere Kabine, die nach unten fuhr, sprang, und als dieser Junge, Neville, ausrutschte, zwischen die beiden Kabinen geriet, die in entgegengesetzte Richtungen fuhren, wie die Federn einfach hinten aus seiner Daunenjacke rausplatzten, als die Kante der einen Kabine sie aufschlitzte, ihn aufschlitzte, dann noch mehr Federn, später, als die Sanitäter die Jacke aufschnitten, um an das zu kommen, was darin noch übrig war.
»Hörst du schlecht?«, zischte Little Dap, ohne den Blick von der Aussicht zu wenden. »Ich sagte, gib mir die Scheißknarre!«
Tristan fasste in die Tasche seines Kapuzenpullis, geriet eine Sekunde in Panik, weil da nichts war, und merkte dann, dass die 22er noch immer fest in seiner rechten Hand lag, fest in der Hand, seit er abgedrückt hatte.
»Okay.« Litte Dap, den Blick noch immer geradeaus in Richtung der Leiche, nahm sie an sich. »Okay. Wenn du quatschst?« Er schüttelte keuchend den Kopf. »Du quatschst, egal, mit irgendwem?« Er holte Luft. »Die hab ich jetzt« - er hielt die 22er hoch - »mit deinen Fingerabdrücken überall drauf.«
Tristan dachte noch, mit deinen auch, wo du sie doch hältst, überlegte sich dann aber, dass es so einfach nicht sein konnte. Oder?
Plötzlich packte Little Dap ihn von hinten, stieß ihm seine Weichteile in den Hosenboden und zischte ihm ins Ohr: »Gefällt dir das? So geht es da drin den ganzen Tag und die ganze Nacht, kapiert? Aber so weit kommst du gar nicht.« Tristan wollte darüber lachen, großer Gladiatorenausbilder, aber dann hockte sich Little Dap hinter ihn, schlang die Arme in einer erneuten Umklammerung um Tristans Oberschenkel, hob ihn vom Kies und ließ ihn beinahe kopfüber über die zu niedrige Brüstung baumeln. Tristan verstummte vor Schreck, das Blut blubberte ihm in den Schläfen, während er nach dem äußeren Metallgitter grabschte, das ihn von einem fünfzehnstöckigen Sturz trennte. »Keiner hat einen Schimmer, du hältst die Fresse, und das bleibt auch so«, zischte Little Dap, und kurz entglitten die Beine, Tristan rutschte ein paar Zentimeter auf die Erde zu, sein Hirn quietschte. »Also. Du weißt, die kommen her und klopfen an jede Tür, und du gibst ihnen keinen Grund, an deine Tür zu klopfen oder dich auch nur anzugucken, hast du mich verstanden? Weil ich geh da nicht wieder rein.« Selbst in seinem grellen Schock konnte Tristan den blubbernden Kloß in Little Daps Hals hören. Little Dap zog ihn wieder hoch, und Tristan fiel stumm auf ein Knie, nur um den Kies unter sich zu spüren.
»Ich geh jetzt runter.« Little Daps Stimme zitterte noch. »Du wartest zwanzig Minuten, dann gehst du.« Er wandte sich zur Dachtür, dann drehte er sich noch mal um. »Und ab jetzt? Guckst du mich nicht mal mehr
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