Cash
mit zwei weiteren Stühlen zurück. »Setzen.« Er zeigte auf die Stühle und bedeutete ihnen, sich die Stimmbänder des Mannes am Mikro zu Gemüte zu führen. »Setzen.«
»Jetzt nicht«, sagte Matty langsam und laut. »Wir müssen mit Paul Ng reden.« Dann: »Nichts Schlimmes.«
Das Karaoke-Lied war zu Ende, und das Mikro wurde an den Nächsten weitergereicht.
»Setzen«, wiederholte der forsche Mann, der noch immer strahlte wie die Sonne.
»Wo ist Paul - Ng«, rief Matty tonlos.
»Nein.«
»Nein was?«
Der Nächste hob zum Singen an, ein Lied, das wie die chinesische Coverversion von Roy Orbisons »Dream Baby« klang. »Nein was?«
»Vielleicht sprichst du ihn falsch aus«, gab Yolonda zu bedenken.
»Nein, tue ich nicht. So hat der kleine Fenton das gesagt.« Dann polterte er: »Paul Eng.«
»Herrgott, du musst nicht gleich brüllen«, fuhr Yolonda ihn an, »die sind ja nicht taub.«
»Leute, helft mir hier weiter: Wo ist Paul Ng.«
Die Männer zeigten keine Reaktion, blickten bloß mit erwartungsvollem Grinsen vom Sänger zu den Cops, als wollten sie feststellen, ob er ihnen gefiel.
»Wie heißen Sie?«, fragte Yolonda den Stühleträger.
»Ich?« Der Mann lachte. »No.«
»No? Sie heißen No?«
»Hä?«
»Dr. No«, sagte Yolonda.
»Und wie heißt er?« Matty zeigte auf den Sänger. »Gut, hm?«
»Verarschen die uns?«, fragte Matty Yolonda Achselzuckend blinzelte sie den Fisch an. »Hören Sie, wir kommen wieder und wieder und wieder ...«
«Okay.« Der Stühleträger winkte, noch immer lächelnd, zum Abschied.
»Kommen wir einfach mit Bobby Oh noch mal wieder«, sagte Yolonda.
»Oh ist Koreaner.«
»Na gut, dann bringen wir halt den kleinen Fenton her.«
Ohne ein weiteres Wort verließen sie die Wohnung, doch bevor sie die Treppe hinuntergehen konnten, kam der kompakte Stühleträger aus dem Flur, fasste Matty am Arm und signalisierte ihnen, ihm die kurze Treppe zur Dachtür zu folgen, zum oberen Treppenabsatz, der, keilförmig unter den schrägen Dachrinnen, von benutzten Ampullen, Streichhölzern, angekokelten Löffeln und Nadeln übersät war. Einige Stufen über den Polizisten demonstrierte der Mann ihnen in einer flotten, wirkungsvollen Pantomime einen Fixer, bohrte den Daumen in den Unterarm, sagte, »Psssscht!« und torkelte dann herum wie ein kampflustiger Junkie. »Ahhhh! Pass auf! Psssscht! Ahhhh!«
»Was erwartet der denn«, sagte Matty, »wenn man die Haustür so offen stehen lässt.«
»Sie zurück kommen!«, sagte der Mann.
»Ja, wir sehen uns um«, sagte Yolonda freundlich. »Gute Nacht.«
Steven Boulware betrat das Cafe Berkmann. Er war allein und steuerte, eine periphere Wachsamkeit ausstrahlend, geradewegs auf die Bar zu.
Eric hatte seit dem Mord nicht mehr an den Mann gedacht. Verwirrt, ja ein bisschen verängstigt sogar, wusste er nicht, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte. Als Boulware jedoch am Pult vorbeirauschte, wurde deutlich, dass er Eric überhaupt nicht wiedererkannte. Boulware hingegen konnte sich darauf verlassen, dass man ihn wiedererkennen würde, prangte doch sein Gesicht auf dem Titel oder der ersten Seite jeder Tageszeitung, die am Zeitungsständer im Cafe hing. Und sowohl die Lokalsender als auch CNN hatten den ganzen Abend Ausschnitte aus seiner Pressekonferenz wiederholt. Er schob sich seitlich an die dichtgedrängte Bar und bestellte bei Cleveland per Handzeichen einen Drink. In den Augen des Barkeepers sah Eric ein Wiedererkennen, sah, wie es sich in den Augen des Erkannten spiegelte, sah, wie sich Boulwares Miene aufhellte, wie sich der Mann auf einen erquicklichen Abend vorbereitete.
Eric wartete, bis Boulware bedient wurde, verließ seinen Posten und winkte Cleveland zu sich ans Ende der Theke. »Sag mal.« Er legte ihm die Hand auf den Arm. »Dieser Typ - aus den Nachrichten - wenn der sein Glas beinahe geleert hat, stell ihm das nächste hin. Nicht erst abwarten. Ich will nicht, dass er irgendwann heute Abend nachbestellen muss oder ein leeres Glas vor sich hat.«
»Soll ich ihm sagen, es geht auf dich?«
»Nein.«
»Okay.« Cleveland nickte, lächelte beinahe, missverstand Erics anonyme Largesse.
Matty lehnte an einer Kühlerhaube wenige Häuser neben dem Urbanen Stillleben, das vor der Eldridge Street 27 erblüht war. Der Schrein war jetzt ein paar Tage alt und drohte, den Gehweg vom Eingang bis zum Rinnstein einzunehmen.
Soweit er sehen konnte, repräsentierten die Gaben drei der Welten, die das Universum hier
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