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Cash

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Titel: Cash Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Price
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unten ausmachten: Latino; Jung, Begabt, Weiß; und Knacker/Crackbirne/Hippie; kein Wort von den Chinesen. Es gab Dutzende von brennenden Botanica-Kerzen, verstreute Münzen auf einem Samttuch, ein Schilfkreuz, das auf einem runden Stein lag, einen CD-Player, auf dem in Endlosschleife Jeff Buckleys »Hallelujah« spielte, eine noch versiegelte Videokassette von Mel Gibsons Passion Christi, eine Taschenbuchausgabe von Black Elk - ich rufe mein Volk, irgendein undefinierbares weißes Fell, einige versteinert wirkende Joints, Beutel mit diversen Kräutern, Rollen noch glimmender Räucherstäbchen, die mit ihren Aromen gegeneinander antraten, und ein Glas Olivenöl. An der Ziegelwand direkt darüber klebte die Titelseite der New York Post vom ersten Tag mit dem Foto eines lächelnden Isaac Marcus und der Schlagzeile, die aus seinen inzwischen berühmten letzten Worten bestand: heute nicht, mein freund (Matty hatte keine Ahnung, wer den Zeitungen das gesteckt hatte), daneben hatte jemand aus unerfindlichen Gründen ein altes Boulevardzeitungsbild von Willie Bosket aufgehängt, dem fünfzehnjährigen Stadtschreck der 1970er Jahre, der bekanntlich in der Subway jemanden umgebracht hatte, »um zu sehen, wie sich das anfühlt«, und daneben eine selbstgebastelte, handgeschriebene Tirade: »Amerikkkas Krieg gegen die Armut ist ein Krieg GEGEN die Armen«, der Rest unlesbar. Es waren sogar Andenken an einer Art Fahnenmast befestigt, so dass sie direkt über dem Tatort baumelten: ein geöffneter Regenschirm, umgedreht schwebend wie eine Butterblume, darin ein Teddybär und ein Beanbag-Adler; außerdem ein selbstgebasteltes Stahlrohr-Mobile, dessen zielloses Klimpern an diesem nahezu windstillen Abend nach echter Trauer klang.
    Matty trieb sich hier nach Feierabend herum für den unwahrscheinlichen Fall, dass jemand Aktenkundiges vorbeikam, um sein Werk zu bewundern oder zu beklagen. Vielleicht schnappte er aber auch etwas auf, ein Logo, ein Gerücht - alles ein Stochern im Nebel, trotzdem ahnte er bereits, dass dies zu einem nächtlichen Ritual werden könnte, bis sich der Schrein in etwa einer Woche auflöste. Die meisten, die hier vorbeigingen, hielten unwillkürlich an, meist allerdings nur einige Sekunden, und die Kommentare waren ebenso oft traurig wie sarkastisch. Am schlimmsten waren die männlichen Teenager aus dem Viertel, als betrachteten sie diese ganze Szenerie als eine Kampfansage, eine Herausforderung, vor ihren Freunden auf der Stelle hammerlustig zu sein. Einige Menschen verweilten mit tief betrübten Mienen, keiner allerdings, der für Matty von Interesse gewesen wäre; mittelalte Latinas, einige der zugezogenen Mittzwanziger.
    »Was das war?« Ein kurzer, muskelbepackter Puerto-Ricaner, in der Hand ein Einmachglas mit einer tabakgelben Flüssigkeit, stand jetzt neben ihm. »Eine Bloods-Initiation. Diese Säcke, die ihn eingetütet haben, das waren Bioods, und woher weiß ich das, das weiß ich, weil meine Tochter jetzt mit einem Bioods geht und von ihm schwanger ist, das ist auch noch so ein Initiationsritus, und ich werde wegen Kindesmißbrauch eingelocht?« Er schlug sich an die Brust.
    »Tatsächlich?«
    »Zweitausendfünfhundert Kaution ohne Vorstrafe, ohne Beweise, aber wissen Sie, woher das kommt?« Der Typ sah jetzt geradewegs durch Matty hindurch. »Das kommt, weil die Angst vor mir haben, die Polizei, wegen dem, was ich über dieses Revier weiß, was da wirklich abgeht. Ich würde meine Tochter niemals anfassen, fragen Sie, wen Sie wollen im Haus, die Wände sind dünn wie Papier. Es gab keinen Missbrauch, sie wollten mich einfach nur zum Schweigen bringen. Zweitausendfünfhundert Erstkaution für etwas, was ich nicht getan hab? Also,bitte ...«
    Der stiernackige PR wandte sich zum Gehen, konnte nicht, fuhr wieder zu Matty herum und hob erneut an: »Das hier direkt?« Er wackelte mit dem Finger in Richtung Schrein. »Da müsst ihr ran, die Weißen, ihr müsst die Gangs auslöschen, damit dieser Scheiß nicht mehr passiert. Die Gangs, die Siedlungen, diese ganze Gegend, alles miteinander.« Er marschierte wieder von dannen. »Alles miteinander!«, bellte er zu den Dächern und war mit zwei Schritten im Dunkel verschwunden, womit er eine Sache deutlich machte, die heute Abend schmerzlich offenbar geworden war - wie leicht zwei Gauner eine Brieftasche mitnehmen konnten, einen Schuss abfeuern und wie nichts einfach in der Dunkelheit verschwinden.
     
    Das Berkmann leerte sich an diesem Abend früher als

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