Cash
sonst, noch vor eins lungerten die Kellner bereits untätig herum. Eric konnte die Unterhaltungen an der Bar verfolgen, als säße er dabei.
Boulware war bei seinem siebten oder achten Gratis-Grey-Goose-Tonic, fiel jetzt beinahe vom Hocker und sabberte großzügig, während er zwei, jawohl, zwei Frauen gleichzeitig den Hof machte, von denen eine ihren Daumen als zärtliches Metronom über seinen Handrücken wischte. Cleveland wollte ihn unbedingt absägen, aber Eric ließ es nicht zu.
»Die, die Ironie ist doch, wenn Ike ...« Boulware geriet ins Stocken, erbleichte, bedeckte kurz die Augen, vielleicht, so hoffte Eric, weil ihm sein Gewissen allmählich die Birne beschwerte. »Wenn Ike hier durch die Tür käme? Und sich dazu äußern könnte? Wäre er der Erste, der für die Kerle ein gutes Wort einlegen würde. Nicht, nicht ihre Tat, aber dass, dass keiner mit der Knarre in der Hand geboren wird ... Dass, dass es diese, diese Kultur der Gewalt gibt, der Ungerechtigkeit, der Gefühllosigkeit...«
Außerstande, noch ein weiteres Wort zu ertragen, fing Eric Clevelands Blick auf und zog endlich die Hand über die Kehle.
Als die Straße sich gerade zur Ruhe begeben wollte, kamen drei junge schwarze Frauen am Schrein vorbei und blieben vom Anblick gefesselt stehen, um die Geschichte in sich aufzunehmen, wobei zwei von ihnen automatisch in einer Geste ehrfürchtigen Kummers die Hand vors Gesicht schlugen. Die Dritte, ein schlafendes Kleinkind über der Schulter, schüttelte bedächtig den Kopf. »Mein Gott, er war doch noch ein Kind.« Die Stimme war hoch, versagte ihr beinahe.
»Was soll das heißen?«, fragte eine der anderen.
»Guck doch hin.« Sie zeigte auf das alte Foto von Willie Bosket.
»Das ist er nicht.« Ihre Freundin zeigte auf Ike Marcus. »Das ist der Tote. Guckst du keine Nachrichten?«
Grunzend lud sich die dritte Frau das schlafende Kind auf die andere Schulter. »Der?«, sagte sie gedehnt. »Jetzt kapier ich diese ganze Scheiße hier viel eher.«
Als Boulware vor der Rolltür eines dominikanischen Schmuckladens in der Clinton Street vornübergebeugt seine Cocktails auskotzte, näherte sich Eric von hinten und boxte ihm in die Rippen. Weil er in seinem ganzen Erwachsenenleben noch niemandem einen Haken verpasst hatte, tat ihm dieser Schlag wahrscheinlich ebenso weh wie dem anderen, trotzdem fühlte es sich so gut an, so richtig, dass er nicht aufhören konnte und so lange ausholte, bis seine Fingerknöchel so groß waren wie Kaugummikugeln und Boulware sich in seinem eigenen Erbrochenen niederließ. Eric hockte sich auf die Unterschenkel und sprach das eine noch halbwegs offene Auge an: »Kennst du mich?« Vom Gestank kamen ihm die Tränen. »Erinnerst du dich an mich? Das hätte ich gleich tun sollen heute Abend, als du reinkamst, aber du bist doppelt so groß wie ich, und ich scheiße inzwischen auf Fairness.«
Boulwares unversehrtes Auge senkte sich wie ein Sonnenuntergang.
»Also. Was willst du machen, Anzeige erstatten? Vielleicht solltest du Anzeige erstatten, was meinst du?« Boulware hatte das Bewusstsein verloren. »Ehrlich ...«
Als die aufgehende Sonne die oberen Stockwerke der Türme, die den East River säumten, zu tünchen begann, ging die Lebensqualität zum Feierabend-Frühstück ins Sanaa. Nazir begrüßte sie beiläufig und schlurfte dann die zwei Meter von seiner mit Telefonkarten gespickten Kasse zum Grillblech.
»Also«, sagte er und nahm das Weißbrot, »hab gehört, ihr habt das Arschloch verhaftet, das uns die Scheibe zertrümmert hat.«
»Ehrlich gesagt« - Lugos Blick wanderte zum Mini-Fernseher hinter der Theke - »glaube ich, sie haben ihn laufen lassen.«
»Was?« Nazir straffte sich. »Wieso?«
»Irgendwas von wegen, dass er's nicht war.«
»Schwachsinn.«
»Wie dem auch sei.«
»Uns erzählt man ja nichts«, sagte Scharf.
»Sie haben es nicht gern, wenn man ihnen reinpfuscht«, sagte Daley.
»Oben ist oben«, sagte Geohagan. »Wir sind bloß das Fußvolk.«
«Aber das ist blöd.« Nazir wedelte mit einem Brotmesser. »Wer ist denn die ganze Zeit auf der Straße, ihr oder die?«
«Wem sagst du das«, sagte Lugo.
Schweigend sahen die Anwesenden einer jungen Frau auf dem Bildschirm dabei zu, wie sie in einer Wiederholung von Fear Factor ein Schnecken-Sandwich verspeiste. »Was hat denn diese Scheiße bitteschön mit Angst zu tun?« fragte Daley. »Das ist doch nur ekelhaft.«
»Wenn ihr gute Fear-Factor-Kandidaten sehen wollt, müsst ihr in
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