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Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
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gütiger Zuspruch fruchtlos blieben und daß da eine unverstellte seelenvolle Betrübnis waltete, ward er besorgt.
    Nun geschah es an einem dieser Tage, daß ein auswärtiger Bote im Haus vorstellig wurde, der zu Caspar geführt zu werden verlangte, um ihm einen Brief auszuhändigen. Herr von Tucher verweigerte die Erlaubnis dazu. Nach einigem Bedenken überließ ihm der Mann das Schreiben und entfernte sich wieder. Herr von Tucher hielt sich für berechtigt, den Brief zu öffnen. Er war von rätselhafter Fassung; noch rätselhafter dadurch, daß ihm ein kostbarer Diamantring beilag, den Caspar damit als Geschenk bekam. Herr von Tucher war unschlüssig, was er tun solle. Brief und Ring dem Gericht oder dem Präsidenten Feuerbach auszuliefern, erschien ihm das ratsamste. Doch widersprach es immerhin seinem Rechtsgefühl. Eine flüchtige Stimmung von Weichheit gegenüber Caspar ließ ihn den Vorsatz völlig vergessen; er hoffte, den Jüngling aus seiner Niedergeschlagenheit aufzurütteln, und diesen Zweck erreichte er vollkommen. Er brachte Brief und Ring herbei.
    Caspar las: »Du, der du das Anrecht hast, zu sein, was viele leugnen, vertrau dem Freund, der in der Ferne für dich wirkt. Bald wird er vor dir stehen, bald dich umarmen. Nimm einstweilen den Ring als Zeichen seiner Treue und bete für sein Wohlergehen, wie er für das deine zu Gott fleht.«
    Als Caspar dies gelesen hatte, drückte er das Gesicht gegen den Arm und weinte still für sich hin. Herr von Tucher saß am Tisch und ließ den schönen Stein des Rings nachdenklich im Sonnenlicht spielen.
Der englische Graf
    In den Nachmittagsstunden eines der letzten Apriltage rollte ein vornehmer Reisewagen vor die Einfahrt des Hotels zum wilden Mann, und alsbald verließ ein hochgewachsener Herr den Schlag und begrüßte leutselig den herbeistürzenden Wirt, der eines solchen Gastes nicht gewärtig war, da in seinem Hause fast nur Kaufleute und Handlungsreisende verkehrten. Der Fremde forderte die besten Zimmer, und ohne sich nach dem Preis zu erkundigen, schritt er durch das Spalier von Gaffern in das weitbogige Tor. Diener und Kutscher trugen die Koffer, den Nachtsack und sonstige Reisegegenstände in die Halle. Der Ankömmling verlangte von selbst das Fremdenbuch, und bald konnte jeder ehrfürchtig-schaudernd die mit Riesenschrift geschriebenen Worte lesen: »Henry Lord Stanhope, Earl of Chesterfield, Pair von England.«
    Das Ereignis machte solches Aufsehen in der Gegend, daß noch spät abends Leute auf der Gasse standen und zu den hellen Fenstern emporstarrten, hinter denen der erlauchte Herr logierte. Am nächsten Morgen gab der Lord in der Wohnung des Bürgermeisters sowie bei einigen Notabilitäten der Stadt seine Karte ab, und schonwenige Stunden darauf erhielt er in seinem Quartier die Gegenbesuche, vor allem denjenigen Binders, der sich der früheren Anwesenheit des Lords natürlich wohl erinnerte.
    In der ziemlich langen Unterredung mit dem Bürgermeister gestand Graf Stanhope ohne Umschweife, daß wie jenes erste Mal so auch heute die Person des Caspar Hauser den Grund seines Aufenthaltes in der Stadt bilde. Er hege für den Findling die größte Teilnahme, sagte er und ließ durchblicken, daß er etwas Entscheidendes für ihn zu unternehmen gesonnen sei.
    Der Bürgermeister erwiderte, er verstatte Seiner Herrlichkeit, soweit es die Vorschriften erlaubten, freien Spielraum.
    »Was für Vorschriften?« fragte der Lord rasch.
    Binder versetzte, Herr von Tucher sei Kurator des Findlings, habe weitgehende Rechte und werde der Einmischung eines Fremden nicht freundlich gegenüberstehen; außerdem könne man ohne Wissen des Staatsrats Feuerbach keine Veränderung befürworten, die das Leben Caspar Hausers betreffe.
    Der Lord machte ein bekümmertes Gesicht. »Da werde ich einen schweren Stand haben,« bemerkte er. Hierauf erkundigte er sich, ob man wegen des Überfalls im Daumerschen Hause irgend Anhaltspunkte gewonnen habe und ob die seinerzeit von ihm ausgesetzte Prämie keinen Empfänger habe finden können. Dies mußte Binder verneinen; er entgegnete, die so großmütig zur Verfügung gestellte Summe liege unangetastet auf dem Rathaus und Seine Lordschaft könne sie zu beliebiger Stunde zurückerhalten, da doch jede Entdeckungsaussicht nunmehr geschwunden sei.
    Die nächsten Tage verbrachte der Lord ausschließlich mit der Erfüllung gesellschaftlicher Pflichten. Zu Mittag, zum Tee und zu Abend war er eingeladen oder gab kleine, aber exzellente

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