Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens

Titel: Caspar Hauser oder Die Traegheit des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Wassermann
Vom Netzwerk:
geruhen das nicht anzuerkennen. Je nun,« fügte er achselzuckend hinzu, »große Herren haben ihre Launen.«
    »Wie kommen Sie denn überhaupt dazu, sich zum Zwischenträger anzubieten?«
    »Zwischenträger? Der Herr Graf legen meiner unschuldigen Zuvorkommenheit ein zu großes Gewicht bei.«
    »Das Gewicht gaben Sie selbst. Sie beliebten dunkel zu sein. Sie gefielen sich in einigen Wendungen, um deren Aufklärung ich höflichst gebeten haben möchte.« Stanhope verbarg nach wie vor unter steifer Würde die Unsicherheit, die er diesem Menschen gegenüber empfand.
    »Ich stehe dem Herrn Grafen ganz zu Diensten,« versetzte Hickel. »Darf ich meinerseits fragen, inwieweit sich der Herr Graf zu eröffnen gedenken werden?«
    »Zu eröffnen? Wem zu eröffnen? Ihnen? Ich habe nichts zu eröffnen.«
    »Der Herr Graf haben in mir einen Mann von unbedingter Verschwiegenheit vor sich.«
    »Was soll das heißen?« fuhr Stanhope auf. »Wollen Sie mir Scharaden zu lösen geben?«
    »Man hat sich vor der Ankunft Eurer Lordschaft nach einer vertrauenswürdigen Persönlichkeit umgesehen,« sagte Hickel plötzlich mit eisiger Ruhe. »Meine langjährigen Beziehungen zu Exzellenz Feuerbach empfahlen mich mehr als einige bescheidene Fähigkeiten.«
    Stanhope entfärbte sich und sah zu Boden. »Sie haben also direkte Aufträge?« murmelte er.
    Der Polizeileutnant verbeugte sich. »Aufträge? Nein,« entgegnete er zögernd. »Man versicherte sich meines guten Willens und ich wurde angewiesen, mich Eurer Lordschaft zur Verfügung zu stellen.«
    Es war Stanhope zumute, als ob er an diesem Tag schon einmal gestorben wäre, und zwar einen bußfertigen Tod, und als ob er nun wieder zum Leben aufgestanden und ein für allemal seiner Bestimmung übergeben sei.
    Er wollte um fünf Uhr bei Frau von Imhoffzum Tee erscheinen und fragte den Polizeileutnant, ob er ein Stück Wegs mitfahre. Obwohl aus der Frage der Wunsch einer Ablehnung klang, nahm Hickel, dem es darum zu tun war, mit dem Lord öffentlich gesehen zu werden, das Anerbieten dankbar an.
    Die Straßen waren jetzt etwas belebter als am Mittag; die alten Beamten und Pensionisten machten um diese Stunde ihren täglichen Spaziergang über die Promenade. Viele blieben stehen und grüßten gegen das Innere der hocherlauchten Kutsche.
    Nun passierte es, daß an einer Straßenecke der Mann auf dem Bock wieder einmal sein welsches Geschrei ertönen ließ; es stand nämlich mitten auf dem Fahrdamm ein träumerisch wolkenwärts guckender Herr, der von dem Herannahen der gräflichen Karosse keine Notiz zu nehmen schien. Höchst erschrocken sprang er beiseite, als der Elsässer zu fluchen begann, doch nicht schnell genug, daß nicht seine Kleider durch den Kot beschmutzt wurden, der von den Hufen der Pferde und den Rädern aufspritzte.
    Hickel bog den Kopf zum Fenster hinaus und griente, denn der Besudelte stand mit einem verdutzten und unglücklichen Gesicht, hielt die Arme vom Leib und sah sich die Bescherung an.
    »Wer ist der ungeschickte Mann?« erkundigte sich Stanhope, den die Schadenfreude des Polizeileutnants verdroß.
    »Das? Das ist der Lehrer Quandt, Mylord.«
    Eigner Zufall; eine halbe Stunde später wurde bei Frau von Imhoff derselbe Name genannt. Der Präsident und seine Freundin waren nach langen Beratungen übereingekommen,Caspar in die Obhut des Lehrers Quandt zu geben.
    »Er ist ein aufgeklärter und gebildeter Kopf und genießt als Bürger wie als Mensch allgemeine Achtung,« sagte Frau von Imhoff.
    »Und ist er denn geneigt, eine so verantwortungsreiche Aufgabe zu übernehmen?« fragte der Lord zerstreut. Doch darüber konnte Frau von Imhoff keine Auskunft geben.
    Als Stanhope sich am andern Morgen beim Präsidenten melden ließ, traf er Herrn Quandt dortselbst. Beide waren offenbar schon einig, denn Feuerbach zeigte sich sehr aufgeräumt, und als sich der Lord wegen des gestrigen Zwischenfalls mit dem Wagen bei Quandt entschuldigte, hatte der Präsident seinen Spaß an der Verlegenheit des Lehrers, die er durch harmlose Witzchen über zerstreute Denker und dergleichen noch steigerte. Sein Gelächter trieb einen wahren Angstschweiß auf Quandts Stirn, er verneigte sich vor Stanhope wie ein Muselmann vor dem Kalifen, und es hatte den Anschein, als müsse er sich geschmeichelt fühlen, daß der Kot der gräflichen Karosse seine geringe Person der Beachtung wert gefunden.
    »Na, Quandt, machen Sie sich nicht so mausig,« mahnte der Präsident belustigt, »ich wette, Ihre Ehefrau hat

Weitere Kostenlose Bücher