Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
verfolge unsere Manöver auf den Bildschirmen. Manche Trainees glauben, schon einmal mit dem Chefpiloten geflogen zu sein – er habe sich dann als Ausbilder ausgegeben. Ich glaube nicht daran. Aber dass er zuschaut, könnte durchaus sein.
Ich stelle mir vor, dass auch Cassia mich sieht.
Ich wende das Luftschiff. Beim Start hat es geregnet, aber die Wolken habe ich unter mir zurückgelassen.
Cassia ist weit weg. Doch wer weiß – vielleicht bewirken Sehnsucht und Luftspiegelungen, dass sie in den Himmel schaut und etwas Schwarzes sieht, und weil sie weiß, wie ich fliege, weiß sie, dass ich es bin. Es sind schon seltsamere Dinge geschehen.
Gleich bin ich fertig mit meinem Übungsflug, und heute Nacht starte ich meine wahre Mission. Als sie mir letzte Woche meinen Auftrag gegeben haben, konnte ich mein Glück kaum fassen. Central. Endlich. Heute Abend könnte sie mich wirklich fliegen sehen, wenn sie im richtigen Moment hinaufblickt.
Ich gehe wieder in Schräglage und in den Steigflug. Nur auf Trainingsflügen sind wir allein unterwegs. Normalerweise stellt die Erhebung Dreiergruppen zusammen: den Piloten, den Kopiloten und einen Boten, der im Frachtraum mitfliegt und Aufträge ausführt – Vorstöße in die Gesellschaft, die die Erhebung so geheim wie möglich hält. Am liebsten mag ich die Missionen, bei denen Pilot und Kopilot den Boten auf seiner Mission begleiten dürfen und wir im Auftrag der Erhebung durch die Straßen einer Stadt streifen.
Heute Abend habe ich den Befehl, beim Schiff zu bleiben, aber ich werde einen Weg finden, die Order zu umgehen. Ich könnte es nicht ertragen, Cassia in Central so nahe zu sein und sie dann nicht zu treffen. Ich werde mir eine Ausrede einfallen lassen und schnell zum See hinunterlaufen. Vielleicht kehre ich anschließend nicht mehr zurück, obwohl ich in gewisser Weise tatsächlich besser zur Erhebung passe als irgendwohin sonst.
Durch meine Jugend bin ich für die Arbeit bei der Erhebung prädestiniert. Jahrelang habe ich die Kunst perfektioniert, von der Gesellschaft unbemerkt zu bleiben, und ich hatte einen Vater, der die Dinge nicht so akzeptiert hat, wie sie waren. Hier oben, wo er nie gewesen ist, verstehe ich ihn besser, als ich es am Boden je konnte. Manchmal denke ich an bestimmte Zeilen aus dem Gedicht von Dylan Thomas:
Und du mein Vater dort auf der Todeswacht,
Fluchsegne mich, von Tränenwut vermauert.
Wenn ich tun könnte, was ich wirklich will , würde ich alle, die ich liebe, einsammeln und wegfliegen. Erst lande ich in Central und hole Cassia, dann die anderen, wo auch immer sie sein mögen. Ich würde meinen Onkel und meine Tante ausfindig machen, Patrick und Aida. Ich würde Cassias Eltern holen, ihren Bruder Bram, Xander, Em und alle anderen aus dem Viertel, in dem wir aufgewachsen sind. Ich würde Eli finden und dann wieder aufsteigen.
So viele würden niemals in dieses Luftschiff passen, es ist zu klein.
Aber wenn ich könnte, würde ich uns an einen sicheren Ort bringen. Wo der sein könnte, weiß ich noch nicht, aber wenn ich diesen Platz fände, wüsste ich sofort, dass er der richtige ist. Vielleicht ist es eine Insel mitten im Wasser, wo Indie früher die Erhebung vermutet hat.
Ich glaube nicht, dass die Canyons noch sicher sind, aber im alten Feindgebiet muss es irgendwo einen geheimen Ort geben, an dem wir uns verstecken könnten. Wenn man die alten Landkarten in den Museen mit den neueren vergleicht, wird deutlich, dass die Gesellschaft die Äußeren Provinzen auf ihren Karten kleiner darstellt als früher. Sollte die Erhebung beim Sturz der Gesellschaft scheitern, wäre es möglich, dass in einer Generation die Äußeren Provinzen gar nicht mehr auf den Karten erscheinen. Ich frage mich, was es dort draußen gibt, worüber ich nichts weiß, und ob die Gesellschaft die Karten im Laufe der Zeit schon öfter angepasst hat. Es muss noch ein Land jenseits des Feindgebiets existieren. Wie viel ist ausradiert und uns vorenthalten worden?
Mir wäre es egal, wie klein die Welt ist, Hauptsache, Cassia wäre bei mir. Ich habe mich der Erhebung angeschlossen, damit wir zusammen sein können. Doch sie haben sie zurück nach Central geschickt, und ich nutze jede Gelegenheit zum Fliegen, weil ich dabei am besten an sie denken kann. Solange die Gesellschaft mich nicht abschießt …
Dieses Risiko besteht immer. Aber ich bin vorsichtig. Ich gehe keine unnötigen Wagnisse ein wie manch anderer, der dem Chefpiloten imponieren will. Wenn ich
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