Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
unserem Weg in die Innenstadt über die dunkle Wasseroberfläche.
Die Hauptgebäude der Stadt, einschließlich des größten medizinischen Zentrums von Camas, sind alle von einer hohen weißen Mauer umgeben. »Seit wann steht die denn da?«, fragt der Vater des Jungen, doch die Sanitäter antworten nicht.
Die Mauer ist neu. Die Gesellschaft hat sie errichtet, um die Seuche unter Kontrolle zu halten. Sie ist nur eine der Mauern, die die Erhebung wird einreißen müssen.
»Behaupten Sie bloß nicht, Sie wüssten es nicht!«, protestiert der Vater laut und wütend. »Funktionäre wissen alles!« Dabei sieht er uns alle der Reihe nach an. Ich halte seinem Blick stand.
»Wir haben Ihnen alles gesagt, was wir können«, erwidert Funktionär Brewer. »Ihre Familie leidet schon genug. Ich würde Ihnen raten, sie nicht noch mehr in Schwierigkeiten zu bringen.«
»Es tut mir leid«, sagt Funktionärin Lei zum Vater. Ich kann das Mitgefühl in ihrer Stimme hören. Ich hoffe, dass auch der Steuermann sich so anhört.
Der Vater wendet sich wieder nach vorn, die Schultern angespannt. Er sagt nichts mehr. Ich kann es kaum erwarten, meine Uniform loszuwerden. Sie verspricht mehr, als sie halten kann, und repräsentiert eine Instanz, an die ich schon seit Jahren nicht mehr glaube. Sogar Cassia hat das Gesicht verzogen, als sie mich zum ersten Mal darin gesehen hat.
»Was denkst du?«, fragte ich sie. Ich stand vor dem Terminal, streckte die Arme aus und drehte mich im Kreis, grinsend, weil ich wusste, dass die Gesellschaft mich beobachtete. Ich musste mich so verhalten, wie es von mir erwartet wurde.
»Hätte ich nicht bei deiner Ernennung dabei sein sollen?«, fragte sie mit großen Augen. Sie musste ihre Gefühle unterdrücken, das konnte ich deutlich ihrer Stimme entnehmen. Doch welche Gefühle waren das? Überraschung? Ärger? Traurigkeit?
»Ja, schon«, sagte ich, »aber der Ablauf der Zeremonie wurde geändert. Meine Eltern konnten auch nicht dabei sein. Ich war ganz allein.«
»O Xander!«, sagte Cassia. »Wie schade für dich!«
»Nicht so schlimm«, sagte ich und fügte scherzhaft hinzu: »Du bist ja dabei, wenn wir unseren Ehevertrag feiern.«
Sie erwiderte nichts, schließlich wurden wir beobachtet. Da standen wir nun. Meine größte Sehnsucht war es, bei ihr zu sein, doch das war unmöglich, da sie in Central wohnt und ich in Camas. Wir unterhielten uns über die Terminals in unseren Wohnungen.
»Deine Schicht muss doch schon seit Stunden vorbei sein«, sagte sie. »Hast du deine Uniform etwa den ganzen Tag anbehalten, nur um damit anzugeben?« Sie ging auf meine Neckerei ein, und das beruhigte mich.
»Nein«, erwiderte ich. »Die Vorschriften wurden geändert. Wir müssen unsere Uniformen jetzt immer tragen, nicht nur zur Arbeit.«
»Sogar nachts im Bett?«, fragte sie.
Ich lachte. »Nein, dann nicht.«
Sie nickte und errötete leicht. Woran sie wohl dachte? Ich hätte mir so gewünscht, mit ihr zusammen zu sein, in ein-und demselben Zimmer. Wenn man sich gegenübersteht, kann man viel besser zum Ausdruck bringen, was man wirklich denkt.
Ich hätte so viele Fragen an sie gehabt!
Geht es dir wirklich gut? Was ist in den Äußeren Provinzen geschehen? Haben dir die blauen Tabletten geholfen? Hast du meine Botschaften gelesen? Hast du mein Geheimnis entdeckt? Weißt du, dass ich zur Erhebung gehöre? Hat Ky es dir erzählt? Bist du jetzt auch dabei?
Du hast ihn geliebt, als du in die Canyons gegangen bist. Hast du ihn immer noch geliebt, als du wieder herausgekommen bist?
Ich hasse Ky nicht. Ich respektiere ihn. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich damit einverstanden bin, dass er mit Cassia zusammen ist. Natürlich sollte sie mit dem zusammen sein, den sie liebt, aber noch hoffe ich, dass ich das irgendwann sein werde.
»Schön, oder?«, fragte sie. »Teil von etwas zu sein, das größer ist als man selbst.«
»Stimmt«, sagte ich, und wir sahen uns in die Augen, trotz der großen Entfernung, die uns trennte. Ich wusste genau, dass sie die Erhebung meinte und nicht die Gesellschaft. Wir sind beide Teil der Erhebung. Ich hätte vor Freude laut jubeln und singen können, aber das ging natürlich nicht. »Du hast recht«, sagte ich mit tiefster Überzeugung. »Das ist schön.«
Sie wechselte das Thema und sagte: »Mir gefällt dein rotes Abzeichen. Rot ist doch deine Lieblingsfarbe.«
Ich grinste. Sie hatte also die Botschaften gelesen, die ich in der Verpackung der blauen Tabletten versteckt
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