Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
hatte. Sie hatte mich nicht vergessen, während sie mit Ky zusammen war.
»Ich wollte es dir schon die ganze Zeit sagen«, fuhr sie fort. »Ich habe ja immer gesagt, meine Lieblingsfarbe sei Grün. Das ist auch auf dem Mikrochip gespeichert. Aber ich habe meine Meinung geändert.«
»Welche ist jetzt deine Lieblingsfarbe?«, fragte ich.
»Blau«, sagte sie. »Wie deine Augen.« Sie lehnte sich ein wenig nach vorn. »Das Blau hat irgendetwas .«
Ich hätte gern geglaubt, das sei als Kompliment gemeint, aber das war es nicht. Sie wollte mir irgendetwas zu verstehen geben, was ich zwischen den Zeilen lesen sollte. Aber was? Warum sagte sie »das Blau«? Warum betont sie ›irgendetwas‹ so sehr?
Ich glaube, sie meinte die blauen Tabletten, die ich ihr vor ihrer Abreise gegeben habe. Wollte sie mir sagen, dass sie sie gerettet hatten? So, wie wir es immer geglaubt hatten? Wir alles wussten, dass uns die Tabletten im Falle eines Unglücks am Leben halten würden. Und ich wollte, dass Cassia so viele davon hat, wie nur möglich – nur zur Sicherheit.
Als ich Cassia die Tabletten gab, habe ich ihr nicht die Wahrheit darüber gesagt, wie ich sie bekommen habe. Ich habe nach der Erklärung gesucht, die sie am wenigsten beunruhigen würde. Doch was ich tun musste, um die Botschaften und die Tabletten für sie zu organisieren, hat sich gelohnt. Das sage ich mir immer wieder. Die meiste Zeit glaube ich sogar daran.
Im Inneren des weißen Schutzwalls erkenne ich keine Anzeichen für eine Rebellion. Die Gesellschaft scheint die Situation absolut unter Kontrolle zu haben. In einem riesigen weißen Triage-Zelt werden die Kranken je nach Stadium der Seuche getrennt. Provisorische Scheinwerfer auf dem Boden erleuchten das Areal innerhalb der Mauern. Andere Aircars mit Ärzten und Patienten landen rings um uns herum.
Ich habe keine Angst. Ich weiß: Die Erhebung kommt. Und die Gesellschaft hat mich ohne es zu ahnen an meinen Bestimmungsort gebracht. Ich wünschte nur, Cassia und ich könnten diese Phase gemeinsam erleben und das erste Mal den Steuermann hören. Ich frage mich, was sie von all dem denkt. Sie ist in der Erhebung. Sicher weiß sie auch über die Seuche Bescheid.
»Infizierte nach rechts«, befiehlt ein Funktionär im Schutzanzug unseren Ärzten. »Zur Quarantäne nach links.«
Ich blicke in die Richtung, in die er zeigt. Die Stadthalle von Camas.
»Im medizinischen Zentrum scheint kein Platz mehr zu sein«, flüstert Funktionärin Lei mir leise zu.
Das ist ein sehr gutes Zeichen! Die Seuche greift rapide um sich. Es kann nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die Erhebung eingreifen muss. Schon jetzt wirken die meisten der Funktionäre, die den Zufluss der Menschen regeln müssen, gestresst.
Wir steigen die Treppe zur Stadthalle hinauf. Einen Augenblick lang stelle ich mir vor, Cassia ginge an meiner Seite und wir wären auf dem Weg zum Paarungsbankett.
Funktionärin Lei stößt die Türen auf. »Weitergehen!«, befiehlt jemand im Inneren, aber ich verstehe, warum die Leute unwillkürlich an der Tür stehen bleiben. Die Halle hat sich verändert.
In dem weitläufigen Saal unter der Kuppel erstrecken sich reihenweise durchsichtige kleine Zellen. Ich kenne sie: provisorische Sicherheitskabinen, die im Fall einer Epidemie oder Pandemie überall errichtet werden können. Ich habe während meiner Ausbildung von ihnen gehört, habe aber noch nie eine gesehen.
Die Kabinen bestehen aus Einzelelementen, die auf verschiedene Arten und Weisen zusammengesetzt und miteinander kombiniert werden können, wie Puzzleteile. Im Fußbodensegment befinden sich jeweils eigene Abwasser-und Toilettensysteme, so können sie zum Beispiel auch auf dem Dach eines größeren Gebäudes aufgestellt und mit dessen Sanitärsystem verbunden werden. In jeder Kabine gibt es eine schmale Koje und eine Klappe für die Essensrationen. Abgeteilt ist nur eine winzige Toilette. Am auffälligsten sind jedoch die durchsichtigen Wände.
Die Gesellschaft nennt das Betreuungstransparenz – jeder kann sehen, was mit jedem geschieht, und die Gesundheitsfunktionäre können ihre Klienten jederzeit überwachen.
Es geht das Gerücht, dass die Kabinen aus der Zeit stammen, als die Funktionäre noch aktiv nach Anomalien suchten. Manchmal musste die Gesellschaft Zentren einrichten, um die entdeckten Anomalien in Gewahrsam zu nehmen und zu überprüfen. Zu diesem Zweck wurden die Kabinen entwickelt. Nachdem die Funktionäre des Sicherheitsdienstes die
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