Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
bemerke ich. »Diesmal könnte das Ergebnis unseren endgültigen Untergang bedeuten.«
»Wäre möglich«, sagt Ky. »Vielleicht fällt die Wahl aber auch ganz anders aus.«
Drei Kandidaten haben sich zur Wahl gestellt. Der Steuermann repräsentiert die Erhebung, eine Funktionärin die Gesellschaft.
Und Anna vertritt alle anderen. Sie und Eli sind mit uns nach Camas zurückgekehrt. »Was ist aus Hunter geworden?«, hat Ky Anna gefragt, und sie sagte: »Ich weiß, wohin er gegangen ist.« Und dabei lächelte sie, traurig und hoffnungsvoll zugleich – ein Gefühl, das ich nur allzu gut kenne.
Die Wahl ist eine so bedeutsame und gewaltige Angelegenheit, ein so schönes und schreckliches Experiment, und sie könnte auf so vielfältige Art und Weise fehlschlagen. Ich denke an all die kleinen weißen Zettel dort drinnen, an all die Menschen, die schreiben gelernt haben, zumindest ihre Namen. Wofür werden sie sich entscheiden? Was wird aus uns werden und aus unserem Land mit seinem blauen Himmel, den roten Felsen und dem grünen Gras?
Doch , so erinnere ich mich, die Gesellschaft kann uns nicht wieder alles nehmen, es sei denn, wir lassen es zu. Wir können unsere Erinnerungen zurückgewinnen, aber nur, wenn wir miteinander reden und einander vertrauen. Wenn wir das eher getan hätten, hätten wir vielleicht früher ein Heilmittel gefunden. Wer weiß, warum dieser Mann die Felder mit Mormonentulpen bepflanzt hat? Vielleicht wusste er, dass die Zwiebeln medizinisch wertvoll sind. Vielleicht fand er auch einfach nur die Blumen schön, so wie meine Mutter. Denn wir finden öfter Antworten in Schönheit, als wir denken .
Die Zukunft wird uns vor große Schwierigkeiten stellen. Aber wir haben die Seuche und das mutierte Virus überwunden, wir alle zusammen. Diejenigen, die an die Erhebung glaubten, und diejenigen, die an die Gesellschaft glaubten, und diejenigen, die an etwas ganz anderes glaubten, arbeiteten alle Seite an Seite, um den Versunkenen zu helfen. Manche taten es auch nicht. Einige flohen, andere töteten. Aber viele Menschen versuchten, andere zu retten.
»Für wen hast du gestimmt?«, flüstere ich Ky auf dem Weg die Treppe hinunter zu.
»Anna«, antwortet er lächelnd. »Und du?«
»Anna«, sage ich.
Ich hoffe, sie gewinnt.
Die Anomalien und Aberrationen sind jetzt am Zug.
Aber werden wir sie gewähren lassen?
In den Debatten auf den Terminals sprach die Funktionärin verständlich und prägnant und zitierte Statistiken. »Glauben Sie, wir hätten das nicht alles schon einmal erlebt?«, fragte sie. »Alles, was Sie tun, ist schon einmal getan worden. Sie sollten der Gesellschaft erlauben, Ihnen noch einmal zu helfen. Diesmal werden wir selbstverständlich für größere Meinungsfreiheit eintreten und Ihnen mehr Wahlmöglichkeiten lassen. Doch wohin würde das führen, wenn wir Sie zu sehr sich selbst überließen?«
Ich dachte: Wir würden unsere eigenen Texte schreiben. Wir würden unsere eigenen Lieder komponieren.
»Ja. Genau«, sagte die Funktionärin, als könnte sie meine Gedanken lesen und wüsste, was alle Mitglieder der Gesellschaft denken. »Sie würden dieselben Bücher schreiben, die schon andere geschrieben haben. Und Sie würden dieselben Gedichte verfassen: über die Liebe.«
Sie hat recht. Wir würden Liebesgedichte schreiben und Geschichten erzählen, die man so ähnlich schon einmal gehört hat. Doch für uns wäre es das erste Mal, unsere Gefühle wären authentisch.
Ich denke daran, wie Anna uns drei bezeichnet hat:
Der Pilot. Die Poetin. Der Arzt.
Das steckt in uns allen. Daran glaube ich: dass jeder Mensch auf seine eigene Weise fliegen, eine Gedichtzeile schreiben oder eine heilende Hand ausstrecken kann.
Xander hat uns eine Nachricht geschickt, um uns wissen zu lassen, wo er jetzt ist. Er hat sie von Hand geschrieben. Ich habe zum ersten Mal seine Handschrift gesehen, und die ordentlichen Reihen der Buchstaben brachten mich zum Weinen.
Ich bin in den Bergen. Lei ist auch hier. Bitte sagt meiner Familie, dass es mir gutgeht. Ich bin glücklich. Und eines Tages komme ich wieder.
Ich hoffe, er macht es wahr.
Meine Mutter und Bram erwarten uns auf der Treppe, die hinunter zum Fluss führt.
»Habt ihr gewählt?«, fragt Bram. »Wie war es?«
»Ziemlich ruhig«, antworte ich, als ich an die große Halle voller Leute und das Geräusch der Stifte auf Papier denke. Langsam und sorgfältig schrieben sie ihre Namen.
»Ich würde gerne wählen gehen«, sagt Bram.
»Das
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