Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Virologe. »Vielleicht ist es am besten, wenn er eine Weile versunken ist, denn er wird Schmerzen haben, bis der Ausschlag abheilt.«
»Sollen wir die neuen Patienten auf die Quarantänestation verlegen?«, erkundige ich mich beim Chefarzt.
»Nur, wenn Sie sie nicht auf Ihrer Station behandeln wollen«, antwortet er.
»Doch, natürlich«, erwidere ich. »Falls nötig, können wir sie auch später noch unter Quarantäne stellen.«
Der Virologe nickt. »Ich sage Ihnen Bescheid, sobald wir die Ergebnisse haben. Es kann ein, zwei Stunden dauern.«
»Bis dahin verabreichen Sie allen das Heilmittel«, ordnet der Chefarzt über Terminal an.
»In Ordnung.«
»Sehr geschickt, wie Sie das Blut abgenommen haben«, lobt mich der Virologe im Hinausgehen. »Man könnte glauben, Sie würden noch als Medic arbeiten.«
»Danke«, sage ich.
»Carrow«, unterbricht der Chef, »machen Sie eine Pause, Sie sind längst überfällig. Nutzen Sie die Zeit, in der die Blutproben untersucht werden.«
»Ich bin fit«, entgegne ich.
»Sie haben Ihre Schicht schon einmal überzogen«, erwidert der Chef über Terminal. »Die Krankenschwestern und Sanitäter kommen im Moment ohne Sie zurecht.«
Ich habe mir angewöhnt, meine Pausen auf dem Hof zu verbringen, und esse sogar draußen. Die vereinzelten Bäume im kleinen Park wirken vernachlässigt, und die Blumen in den Beeten welken, weil niemand Zeit hat, sich um die Pflanzen zu kümmern, aber wenigstens erlebe ich hier den Wechsel der Tageszeiten.
Außerdem rechne ich mir durch meine regelmäßige Anwesenheit hier eine größere Chance aus, Lei wiederzutreffen und mich mit ihr über unsere Arbeit und unsere Beobachtungen zu unterhalten.
Ich befürchte schon, sie verpasst zu haben, doch als ich fast fertig bin mit essen, öffnet sich die Tür, und Lei tritt heraus.
»Carrow!«, sagt sie froh. Sie scheint mich auch gesucht zu haben, was mich freut. Lächelnd zeigt sie auf die anderen im Garten. »Inzwischen hat sich dieser Ort wohl herumgesprochen.«
Stimmt – mindestens ein Dutzend weitere Mitarbeiter sitzen in der Sonne. »Ich muss dir etwas erzählen«, beginne ich. »Bei unseren Neuzugängen gibt es eine interessante Variation.«
»Welche denn?«
»Einer der Patienten leidet unter einer besonders schweren Form des Ausschlags.«
»Was genau meinst du?«
Ich schildere ihr die Hautschäden und berichte, was der Virologe gesagt hat. Auch das Phänomen der Mutationen durch Selektionsdruck versuche ich ihr zu erklären, aber es gelingt mir nicht gut. Trotzdem hat sie das Prinzip verstanden, denn sie fragt: »Möglicherweise hat also das Heilmittel die Mutation verursacht?«
»Falls es sich um eine Mutation handelt«, antworte ich. »Kein anderer Patient hatte bisher einen so schlimmen Ausschlag, aber natürlich kann es sein, dass sich das mutierte Virus noch nicht verbreitet hat.«
»Ich wünschte, ich könnte sie sehen«, sagt Lei, und zunächst glaube ich, sie meine die Patienten. Doch sie deutet in die Richtung, in der man die Berge erkennen könnte, wenn die Mauern sie nicht verdecken würden. »Früher konnte ich mir gar nicht vorstellen, wie man sich zurechtfindet, wenn man sich nicht an den Bergen orientieren kann. Jetzt erlebe ich es selbst.«
»Mir hat es nichts ausgemacht, dass es bei uns keine Berge gab«, sage ich. In Oria hatten wir nur einen Hügel, und nicht mal für ihn habe ich mich besonders interessiert. Mir haben eher die kleinen, vertrauten Plätze etwas bedeutet – die Wiese hinter der Grundschule, das leuchtend blaue Schwimmbecken im Freibad und die Ahornbäume in unserer Siedlung, die später leider gefällt wurden. Diese Orte sehne ich herbei, nur ohne die Zwänge der Gesellschaft.
»Ich heiße übrigens Xander mit Vornamen«, entschlüpft es mir zu unser beider Überraschung. »Ich glaube, das habe ich dir noch nicht gesagt.«
»Ich heiße Nea«, sagt sie.
»Schön, das zu wissen«, sage ich wahrheitsgemäß, obwohl wir natürlich im medizinischen Zentrum nicht gegen das Protokoll verstoßen und uns mit Vornamen ansprechen werden.
Fast brüsk fährt Nea fort: »Am meisten mag ich an ihm, dass er sich praktisch vor nichts fürchtet. Nur, als er sich in mich verliebt hat, hatte er Angst. Aber auch die hat er überwunden.«
Ich brauche länger als gewöhnlich, um eine Antwort zu finden, doch bevor mir etwas einfällt, fragt Lei schon: »Und du? Was gefällt dir am meisten an deiner Partnerin?«
»Alles«, antworte ich. »Einfach alles.« Hilflos
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