Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
hebe ich die Hände. Wieder fehlen mir die Worte. Das ist ungewohnt für mich. Warum fällt es mir auf einmal so schwer, über Cassia zu sprechen?
Ich befürchte, Lei könnte ungeduldig werden, aber stattdessen nickt sie einfach und sagt: »Ich weiß genau, was du meinst.«
Meine Pause neigt sich dem Ende zu. »Ich muss wieder rein«, sage ich, »und nach meinen Patienten sehen.«
Lei sagt: »Das ist ganz natürlich für dich, oder?«
»Wie bitte?«
»Dich um andere zu kümmern«, erklärt sie und blickt wieder in Richtung der Berge. Dann fragt sie: »Wo warst du letzten Sommer? Schon in Camas?«
»Nein.« Letzten Sommer war ich noch in Oria und habe versucht, Cassia dazu zu bringen, mich zu lieben. Es kommt mir vor, als sei es schon sehr lange her. »Warum?«
»Weil du mich an eine Fischart erinnerst, die im Sommer den Fluss hinaufschwimmt«, antwortet sie.
Ich muss lachen. »Ist das etwas Positives?«
Sie lächelt, wirkt aber traurig. »Sie kehren von weit draußen im Meer zu ihren Laichplätzen zurück.«
»Das klingt ja unglaublich!«
»Stimmt, und doch ist es so. Auf ihrer Reise verändern sie sich vollkommen. Solange sie im Meer leben, sind sie blau mit silbernen Rücken. Wenn sie hier ankommen, sind sie ganz bunt, leuchtend rot mit grünen Köpfen.«
Und warum erinnert sie das an mich?
Sie versucht es mir zu erklären. »Damit will ich sagen, dass du zu deiner Bestimmung gefunden hast. Du bist dazu geboren, Menschen zu helfen, und du wirst immer Mittel und Wege finden, das zu tun, egal, wo du bist. Genau wie die Rotfische dazu geboren sind, ihren Weg vom Meer nach Hause zu finden.«
»Danke«, sage ich.
Ich bin versucht, ihr alles zu erzählen, einschließlich dessen, was ich getan habe, um an die blauen Tabletten zu gelangen. Doch ich schweige. »Es wird Zeit, ich muss wieder an die Arbeit«, sage ich stattdessen, gieße den Rest des Wassers aus meiner Thermosflasche in die Neorosen neben unserer Bank und gehe zur Tür.
Ich gehe hinter den Häusern der Ahornsiedlung entlang, neben den Gleisen der Lieferwagen für Nahrungsmittel. Obwohl es schon spät ist und keine Mahlzeiten ausgeliefert werden, klingt mir das leise Knirschen und Quietschen der Karren in den Ohren. Als ich an Cassias Haus vorbeikomme, bin ich versucht, einen der Fensterläden zu berühren oder an ein Fenster zu klopfen, aber natürlich tue ich das nicht.
Ich gelange in den öffentlichen Bereich der Siedlung, wo sich die Plätze für Freizeitaktivitäten aneinanderdrängen, und noch bevor ich nach dem Archivisten Ausschau halten kann, steht er schon neben mir und sagt: »Direkt vor uns liegt das Freibad.«
»Ich weiß«, sage ich, denn hier bin ich aufgewachsen und weiß daher genau, wo ich mich befinde. Die Silhouette des weißen Sprungturms zeichnet sich klar und deutlich vor uns ab. Unsere Flüsterstimmen in der Dunkelheit klingen wie aneinanderreibende Heuschreckenflügel.
Behände klettert der Archivist über den Zaun, und ich folge ihm. Am liebsten würde ich einwenden, dass das Schwimmbad geschlossen ist und wir nicht hineindürfen, aber das scheint kein Hindernis zu sein.
Unter dem Sprungturm wartet eine Gruppe von Leuten. »Sie brauchen nichts weiter zu tun, als ihnen Blut abzunehmen.«
»Warum?«, frage ich, und mir wird kalt.
Der Archivist erklärt: »Wir brauchen das Blut zur Gewebeprobenkonservierung, weil wir selbst die Kontrolle darüber haben wollen. Das haben Sie doch vorher gewusst.«
»Aber ich dachte, wir würden die Gewebeproben auf dem üblichen Weg gewinnen«, wende ich ein. »Mit Wattestäbchen, die über die Mundschleimhaut gestrichen werden. Schließlich braucht man nur ganz wenig Gewebe.«
»Diese Methode ist besser«, entgegnet der Archivist.
»Im Gegensatz zur Gesellschaft bestehlen Sie uns ja nicht«, sagt eine der Frauen mit leiser, ruhiger Stimme. »Sie nehmen uns Blut ab, geben es uns aber danach wieder.« Sie streckt mir den Arm hin. »Ich bin bereit.«
Der Archivist reicht mir eine Schachtel. Als ich sie öffne, finde ich steril in Plastik verpackte Ampullen und Spritzen darin. »Fangen Sie an«, fordert er mich auf. »Anschließend erhalten Sie die blauen Tabletten, wie vereinbart. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«
Er hat recht. Ich will und muss das komplizierte System ihrer Geschäfte und Bezahlweisen gar nicht verstehen, und vor allem möchte ich nicht wissen, was die Leute bezahlt haben, um heute Abend hier zu sein. Ist diese Art von Geschäft überhaupt von den anderen
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