Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Archivisten sanktioniert, oder handelt der Mann auf eigene Rechnung? Wo bin ich hineingeraten? Ich wusste nicht, dass Schwarzmarktblut der Preis für die blauen Tabletten sein würde.
»Man wird Sie erwischen«, warne ich.
»Nein«, entgegnet er, »wird man nicht.«
»Bitte!«, sagt die Frau. »Ich möchte nach Hause!«
Ich streife mir Handschuhe über und bereite eine Spritze vor. Die Frau hält die ganze Zeit die Augen geschlossen. Ich schiebe ihr die Nadel knapp vor der Armbeuge in eine Vene. Sie stößt vor Überraschung einen Laut aus. »Fast fertig«, sage ich. »Nur noch einen kleinen Augenblick.« Ich ziehe die Nadel wieder heraus und halte die Spritze hoch. Ihr Blut ist dunkel.
»Danke«, sagt sie, und der Archivist reicht ihr ein kleines Watteviereck, das sie gegen die Innenseite ihres Arms presst.
Als ich auch mit den anderen fertig bin, gibt mir der Mann die blauen Tabletten und sagt dann zu den anderen: »Nächste Woche sind wir wieder hier. Bringt eure Kinder mit. Bestimmt wollt ihr doch auch, dass von ihnen eine Gewebeprobe aufbewahrt wird?«
»Ich komme nächste Woche nicht«, sage ich zu dem Archivisten.
»Warum nicht?«, fragt er. »Du tust ihnen einen Gefallen.«
»Nein«, entgegne ich. »Bisher gibt es keine wissenschaftliche Methode, Menschen wieder zum Leben zu erwecken.«
Wenn es sie gäbe, würden die Menschen sie garantiert nutzen. Patrick und Aida Markham zum Beispiel. Wenn es eine Möglichkeit gäbe, ihren Sohn wiederzubekommen, würden sie sie ausschöpfen.
Zu Hause führe ich mit dem Skalpell, das ich aus dem medizinischen Zentrum gestohlen habe, die wahrscheinlich einzige Operation meines Lebens durch. Vorsichtig durchtrenne ich die Folie auf der Rückseite der Blisterverpackung, schneide den Papierstreifen aus dem Terminal der Archivisten in winzige Schnipsel, verberge sie in den Hohlräumen der Tabletten und halte die Verpackung über den Müllverbrenner, um die Folie wieder zu verschweißen.
Ich brauche fast die ganze Nacht dafür. Am Morgen erwache ich von dem Geschrei in der Siedlung, als Ky abgeführt wird. Kurz darauf muss auch Cassia fort, aber wenigstens kann ich ihr die lebensrettenden blauen Tabletten mitgeben.
Ich kehre auf meine Station zurück, um meine Patienten zu besuchen. »Hat es Nebenwirkungen gegeben?«, frage ich die Schwester.
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das nicht«, sagt sie. »Bei fünf Patienten schlägt das Heilmittel gut an, aber die anderen, einschließlich des Patienten mit dem Ausschlag, reagieren gar nicht. Natürlich ist es noch ein bisschen früh.« Sie braucht es nicht auszusprechen, denn wir beide wissen, dass wir normalerweise in dem Zeitraum, der seit der Behandlung vergangen ist, eine Reaktion beobachten können. Das klingt nicht gut!
»Haben noch andere einen so schlimmen Ausschlag bekommen?«
»Wir haben sie seit der Einlieferung nicht mehr untersucht«, antwortet sie. »Es ist ja auch erst knapp eine Stunde her.«
»Dann holen wir das jetzt nach.«
Vorsichtig wenden wir einen der Patienten. Nichts. Der Nächste. Nichts.
Doch der Körper der dritten Patientin ist von oben bis unten mit dem Ausschlag bedeckt. Zwar ist die Haut noch nicht so sehr gerötet wie die des ersten Patienten, aber die Reaktion ist auf jeden Fall atypisch. »Rufen Sie den Virologen«, bitte ich einen der Pfleger. Vorsichtig drehen wir die Patientin wieder auf den Rücken, und ich ringe vor Schreck nach Luft. Ihr läuft Blut aus Mund und Nase.
»Wir haben eine Patientin mit abweichenden Symptomen!«, teile ich dem Chefarzt über Terminal mit. Noch bevor er antwortet, ertönt die Stimme des Virologen aus meinem Miniterminal: »Carrow?«
»Ja?«
»Ich habe die Viren-DNS aus der Probe des Patienten mit dem schweren Ausschlag analysiert. Dabei habe ich eine zusätzliche DNS-Kopie gefunden, die das Hüllenprotein, welches für die Nervenentwicklung verantwortlich ist, kodiert. Verstehen Sie, was das bedeutet?«
Natürlich.
Wir haben es mit einer Mutation zu tun.
Kapitel 15
Cassia
Das Abendlicht färbt die weiße Barrikade golden, und der Himmel ist eisblau bis auf das rote Leuchten, da, wo die Sonne brennend hinter dem Horizont versinkt. Um diese Zeit versammeln wir uns, und mit jedem Tag werden wir mehr. Jemand bringt zwei Leute mit, zwei andere erzählen es vieren, so dass die Menge exponentiell anwächst. Schon wenige Wochen nach unserer Initiative scheint eine ganz neue Art von Seuche um sich zu greifen.
Ich weiß nicht, wer unseren Treffpunkt
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