Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
mitbringen, ein anderer ein Gemälde. Selbst wenn wir nichts mitnehmen würden, könnten wir uns alle bereichern, indem wir etwas Schönes ansehen oder wahren Geschichten zuhören.
Eine Brise bringt die grünen Vogelfedern zum Tanzen. »Er ist zu schön, um ihn für mich allein zu behalten«, sage ich.
»Genau das habe ich auch bei Ihrem Gedicht gedacht!«, sagt das Mädchen. »Am liebsten hätte ich es allen gezeigt!«
»Angenommen, wir fänden einen Weg, das zu tun?«, frage ich. »Wir könnten uns treffen und dabei das mitbringen, was wir erschaffen haben.«
Aber wo?
Als Erstes fällt mir das Museum ein. Ich drehe mich um und schaue die verriegelten Türen an. Wenn wir nur einen Weg hinein finden würden! Im Museum gibt es Glasvitrinen und Strahler mit sanftem Licht. Sie sind zwar zerbrochen, aber vielleicht könnten wir sie reparieren. Ich stelle mir vor, wie ich die Glastüren einer Vitrine aufschiebe, meine Gedichte aufhänge, die Glastüren wieder schließe, zurücktrete und mir das Resultat ansehe.
Ein Schaudern durchfährt mich. Nein. Das Museum ist nicht der passende Ort.
Als ich mich wieder umdrehe, mustert mich die junge Frau ernst und forschend und sagt dann: »Ich heiße Dalton Fuller.«
Wir Händlerinnen sollten zwar eigentlich nicht unsere Namen preisgeben, aber schließlich mache ich keine Geschäfte mit ihr. »Und ich bin Cassia Reyes.«
»Ich weiß«, sagt Dalton. »Sie haben ihr Gedicht damit unterschrieben. Ich glaube, ich kenne einen guten Platz.«
»Hier kommt nie jemand hin«, erklärt sie, »wegen des Gestanks. Aber der lässt allmählich nach.«
Wir stehen am Rande des Sumpfs, der sich bis hinunter an den See erstreckt, sind aber weit genug entfernt, um nur das Ufer zu erkennen und nicht das, was daran angespült wurde.
Die ganze Zeit denke ich darüber nach, warum all diese Fische sterben mussten, die gegen den Steg, meine Schienbeine und Hände schwappten – war es ein letzter Versuch der Gesellschaft, weitere Gewässer zu vergiften, wie in den Äußeren Provinzen und im Feindesgebiet? Aber warum sollte sie einen See auf eigenem Terrain verseuchen?
Im selben Maße, wie die Erhebung die Seuche in den Griff bekommt, verkleinert sie die Sperrzone. Ich habe gesehen, wie Luftschiffe Teile der Barrikade weggeschleppt und andere näher an das medizinische Zentrum herangerückt haben. Einige größere Gebäude, die vorher innerhalb der Sperrzone standen, sind jetzt wieder frei zugänglich.
Die Erhebung lässt die unbenutzten Teile der Barrikade hinaus auf diese Brachfläche am See transportieren. Auseinandergenommen sehen die Bruchstücke der Mauer wie Kunstwerke aus – geschwungen und gigantisch, wie von Riesen fallengelassene Federn, die sich in Marmor verwandelt haben, wie bleiche Knochen, die sich aus der Erde erhoben haben und dann zu Stein wurden. Ein zerklüfteter Canyon mit Zwischenraum zum Hindurchspazieren.
»Ich habe das Gelände schon von einer Airtrain-Haltestelle aus gesehen«, erkläre ich, »konnte mir aber nicht vorstellen, wie es aus der Nähe aussieht.«
An einer Stelle wurden zwei Teile näher beieinander heruntergelassen als die übrigen. Im Inneren ist eine Art langer Gang entstanden, der zwar nicht ganz, aber teilweise durch die konkav geschwungenen Mauern überdacht wird. Ich trete ein. Drinnen ist es kühl und dämmrig. Durch einen gleichmäßigen Deckenspalt fällt Licht von oben herein. Ich drücke die Hand gegen eines der Mauerteile und blicke hinauf.
»Es kann zwar hereinregnen«, sagt Dalton, »aber meiner Meinung nach sind wir hier drinnen dennoch so weit geschützt, dass es funktionieren könnte.«
»Wir könnten die Bilder und Gedichte an die Wände hängen«, schlage ich vor, »und eine Art Podest für Gegenstände wie deinen Vogel errichten.«
Und wer singen kann, könnte uns hier etwas vortragen. Ich verharre einen Augenblick reglos und stelle mir vor, wie Musik von den Wänden widerhallt und über den verseuchten, stillen See schallt.
Natürlich muss ich weiterhin Handel treiben, um zu meiner Familie zu gelangen, und sortieren, um meinen Platz in der Erhebung zu behaupten, aber auch dies hier betrachte ich als neue, wichtige Aufgabe. Ich glaube, mein Großvater würde mich verstehen.
Dritter Teil
Der Arzt
Kapitel 14
Xander
»Ich schicke Ihnen eine neue Gruppe von Patienten«, teilt mir der Chefarzt über mein Miniterminal mit.
»Gut«, antworte ich, »wir sind vorbereitet.« Wir haben inzwischen einige leere Betten. Drei Monate nach
Weitere Kostenlose Bücher