Cassia & Ky – Die Ankunft: Band 3 (German Edition)
Kino lachte, wenn es Leute sterben sah, weil die Zuschauer gar nicht erfassten, was auf der Leinwand geschah. Ich wünschte meinen ehemaligen Mitbürgern zwar nicht den Tod, aber dass sie einmal erfuhren, was es bedeutet, Angst zu haben. Ich wollte, dass sie wussten, auf wessen Kosten sie ihr bequemes Leben führten. Doch dieser Anblick jetzt ist furchtbar. In den letzten Wochen hat die Erhebung sowohl die Kontrolle über die Seuche als auch über die Bevölkerung verloren. Wir erfahren nicht, was genau geschehen ist, aber irgendetwas muss passiert sein. Sogar die Archivisten und die Händler sind wie vom Erdboden verschluckt. Ich habe keine Möglichkeit, Cassia eine Nachricht zukommen zu lassen.
Es fehlt nicht mehr viel, und ich kann dem Drang, einfach nach Central zu fliegen, nicht mehr widerstehen.
»Am sichersten ist der Platz vor der Stadthalle«, sagt der Kommandeur. »Dort werfen wir die Fracht ab.«
»Die ganze Fracht?«, frage ich. »Und was ist mit den Vororten?«
»Alles vor die Stadthalle«, erwidert er. »Das ist am sichersten.«
Ich bin anderer Meinung. Wir müssen die Vorräte verteilen, oder es wird ein Blutbad geben. Schon jetzt versuchen Leute, die Mauer zu durchdringen. Wenn sie uns die Kisten abwerfen sehen, werden sie noch aggressiver hineindrängen, und ich weiß nicht, wie lange die Erhebung ohne gewaltsames Eingreifen die Ordnung aufrechterhalten kann. Wird sie Kampfjets schicken müssen, wie sie es in Arcadia schon getan hat?
Indie und ich fliegen als Letzte in der Formation und ziehen Schleifen, während die anderen ihre Fracht abwerfen. Wir befinden uns jetzt außerhalb des Innenstadtbereichs, draußen über den Vororten. Während wir über sie hinwegfliegen, kommen die Leute aus ihren Häusern und sehen zu uns herauf. Sie haben die Anweisungen der Erhebung befolgt, sich ruhig zu verhalten und in ihren Häusern zu bleiben, anstatt zur Barrikade zu strömen.
Das bedeutet, dass sie wahrscheinlich verhungern werden, während die Belagerer der Mauer um die Nahrungsmittel kämpfen, die wir gebracht haben.
Urplötzlich durchfährt mich eine heftige Traurigkeit und ein Gefühl der Verbundenheit mit den Bewohnern der Vororte. Sie haben die Anweisungen befolgt, wollten sich korrekt verhalten. Was können sie dafür, wenn jetzt alles drunter und drüber geht?
Nichts.
Alles.
Ich habe eine Idee.
»Abwurf vorbereiten!«, befiehlt der Kommandeur. Noch nie zuvor haben wir Fracht aus der Luft verteilt, aber wir haben den Ernstfall geprobt. An der Unterseite des Flugzeugs befindet sich eine Klappe, durch die wir die Nahrungsmittelvorräte hinauswerfen können.
»Caleb!«, sage ich in das Funkgerät, das mit dem Frachtraum verbunden ist. »Bist du bereit?«
Keine Antwort.
»Caleb?«
»Bin bereit«, antwortet er mit schwacher Stimme.
Da ich diesmal der Pilot bin, habe ich das Kommando. »Schau doch mal nach, was mit ihm los ist«, bitte ich Indie, und sie geht sofort zum Frachtraum. Trotz der Schwankungen des Schiffs hält sie mühelos das Gleichgewicht. Ich höre, wie sie die Luke öffnet und in den Raum geht.
»Haben Sie ein Problem?«, fragt der Kommandeur.
»Nein, ich glaube nicht«, antworte ich.
»Caleb sieht nicht gut aus«, verkündet Indie einen Augenblick später, als sie wieder aus dem Frachtraum kommt. »Ich glaube, er ist krank.«
»Nein, es geht mir gut«, protestiert Caleb, aber es klingt angestrengt. »Ich glaube, ich habe etwas Schlechtes gegessen.«
»Werfen Sie Ihre Fracht nicht ab«, befiehlt der Kommandeur. »Kehren Sie sofort zur Basis zurück.«
Indie sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Soll das ein Witz sein?
»Ich wiederhole«, sagt er, »werfen Sie Ihre Fracht nicht ab! Melden Sie sich sofort bei der Basis in Camas zurück.«
Ich sehe Indie an, und sie zuckt mit den Schultern. Ich wende das Luftschiff, und wir fliegen über die Menschen unten hinweg. Da ich wegen des bevorstehenden Abwurfs tief hinuntergegangen bin, kann ich fast ihre offenen Münder sehen. Sie erinnern mich an Vogelküken, die auf Futter warten.
»Übernimm du«, sage ich zu Indie mit einer Geste auf das Control Panel. Dann gehe ich in den Frachtraum, um nach Caleb zu sehen.
Er ist nicht mehr angeschnallt, sondern steht hinten im Frachtraum, die Hände gegen die Schiffswand gestemmt, den Kopf gesenkt, jeden einzelnen Muskel schmerzhaft verkrampft. Als er mich sieht, lese ich die Angst in seinen Augen.
»Caleb!«, sage ich. »Was ist denn los?«
»Nichts«, sagt er. »Mir
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