Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
weichherzig. Wie alle Männer. Sind eher Babys als kleine Jungens. Darf man ihnen zwar nicht sagen, sonst werden sie wütend, ist aber trotzdem wahr. Angst haben sie vor den Frauen. Angst vor Mamilein, vor Frauchen, Töchterlein, Schwesterchen, Tantchen, Omi und vor der süßen, kleinen Freundin. Aber ihren Stolz haben sie. Sie fürchten sich, ‘ne Abfuhr zu kriegen – als wüßten wir Frauen nicht, wie das ist. Zuerst wollen sie dich haben, sind hinter dir her, aber haben sie dich mal, dann wünschen sie sich, sie hätten dich nicht, oder noch schlimmer – sie wünschen sich, daß sie dich nicht brauchen tun. Also sehen sie sich wieder um und hoffen, ‘ne Frau zu finden, die anders ist. Aber keine von uns ist anders. Also sei nett zu Cal, spiel ihm vor, daß du ihn für den Größten, Stärksten und Tollsten hältst. Tust mir ‘nen Gefallen damit, und ich werd’ dir dann auch einen Gefallen tun.«
Immer intensiver massierte Kitty mir mein verfilztes Haar. »Hab’ dein Zuhause gesehen. Ich weiß schon, was sich hinter deinem hübschen, unschuldigen Gesicht verbirgt. Siehst wie deine Mutter aus. Hab’ sie gehaßt. Paß auf, daß ich dich nicht auch eines Tages hassen werd’.«
Das Wasser war jetzt kalt und ein Labsal für meine schmerzende Haut. Kitty lächelte. Sie wedelte mit der Hand, um den Dampf auseinanderzutreiben.
Inzwischen war ich aus der Badewanne heraus geklettert und stand auf einer einfachen, weißen Matte, die Kitty aus dem Wäscheschrank herausgeholt hatte. Alles an mir brannte, alles war rot, sogar das Weiße in meinen Augen, wie ich bemerkte, als ich in einen der langen Spiegel blickte. Aber ich lebte und war sauber. Ich war noch nie in meinem Leben so sauber gewesen – da hatte Kitty allerdings recht.
»Na, siehst du, siehst du«, beruhigte mich Kitty und umarmte und küßte mich. »Ist nu’ alles vorbei, und du bist wie neu. Siehst wirklich neu aus. Blitzsauber und süß siehst du aus. So, Schätzchen, jetzt werde ich dich mit einer schönen rosa Creme einschmieren, damit deine arme Haut nicht mehr so brennt. Wollt’ dich nicht erschrecken. Wußt’ nicht, daß deine Haut so empfindlich ist. Aber du verstehst doch, daß ich was Drastisches tun mußte, um den ganzen jahrelangen Dreck herunter zu bekommen. Der Gestank von Nachttöpfen und Plumpsklosetts hatte sich ja tief in deine Haut eingegraben und in den Haaren verfangen. Auch wenn du’s nicht gerochen hast, ich schon. Bist jetzt sauberer als ein Neugeborenes.«
Lächelnd nahm sie eine große, rosafarbene Flasche in die Hand und trug mir sanft kühlende Creme auf.
Es gelang mir, irgendwie dankbar zu lächeln. Kitty war eigentlich nicht so übel. Sie war eben wie Reverend Wayland Wise, der schrie und jedermann die Furcht vor der Rache Gottes einjagte, um ihn zu bessern. Gott und heißes Wasser, in beiden Fällen drehte es sich um das gleiche.
»Fühlst du dich nicht wunderbar, besser als je zuvor? Hab’ ich dich nicht aus der Gosse gerettet, oder? Fühlst du dich nicht wie neu und bereit, der Welt gegenüberzutreten, die dich verurteilt hätte, wenn ich nicht gewesen wär?«
»Ja…«
»Was, ja?«
»Ja, Mutter.«
»Na also«, sagte Kitty und trocknete mir die Haare, indem sie mir eines ihrer verwaschenen, rosa Handtücher um den Kopf wickelte. Dann nahm sie ein zweites Handtuch, um meinen beinahe verbrühten Körper abzutrocknen. »Du hast’s ja überlebt. Wenn deine Haut noch ein bißchen brennt, dann wirkt das Zeug nach. Es tut zwar weh, aber alle Medizin, die heilt, ist unangenehm. Man muß eben leiden, um allen Schmutz loszuwerden und rein zu sein.«
Kittys hypnotische Stimme in dem verfliegenden Dampf und das Nachlassen der Schmerzen lullten mich in ein Gefühl der Sicherheit ein. Dann begann sie mein feuchtes Haar zu kämmen.
Au!
Es tat weh!
Meine Haare hatten sich in dicke Büschel verfilzt, und Kitty hatte sich vorgenommen, diese Büschel zu entwirren, auch wenn sie mir dabei die Haare einzeln ausreißen mußte.
»Laß mich machen!« rief ich und riß ihr den Kamm aus der Hand. »Ich weiß, wie’s geht.«
»Du weißt, wie’s geht? Hast du eigentlich Jahre im Stehen verbracht, bis dir die Beine bis zur Taille schmerzten? Hast du was über Haare gelernt? Hast du, hast du?«
»Nein«, flüsterte ich und versuchte dabei, die verfilzten Haare mit den Fingern etwas zu entwirren, bevor ich mit dem Kamm durchging, »aber ich kenne mein Haar. Wenn es gewaschen ist, muß man aufpassen, daß es nicht so
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