Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
lebte ich noch hoch oben in der Hütte in den finsteren Bergen.
Ich erwachte mit schmerzenden, steifen Gliedern; jede Bewegung tat weh. Erinnerungen an die vergangene Nacht und an ein heißes Bad kamen mir wie ein Alptraum vor, aber meine brennende Haut war Beweis genug, daß ich gestern wirklich in ein siedend heißes Bad gestiegen war.
Fünf Uhr morgens, signalisierte mir meine innere Uhr. Ich dachte an Tom; um die Zeit war er draußen, um Holz zu hacken und zu jagen. Es war selten, daß ich aufwachte und Tom noch schlief – dort in den finsteren Bergen, nach denen ich mich so sehnte. Ich wußte nicht mehr so genau, wo ich war, und tastete mit der Hand, um die weiche, zarte Haut von Unserer-Jane zu spüren, und berührte statt dessen einen haarigen Männerarm. Erschrocken richtete ich mich im Bett auf. Der Anblick Kittys und ihres Mannes, die beide in tiefem Schlaf in dem breiten Bett lagen, war mir peinlich. Schwaches Morgenlicht flutete durch die Vorhänge.
Vorsichtig kroch ich über Cal. Das Risiko, ihn aufzuwecken, erschien mir weniger gefährlich. Ich schlüpfte aus dem Bett und bewunderte die Dinge, die ich um mich sah, während einiges mich doch störte; zum Beispiel, wie Kitty ihre Kleider achtlos auf den Boden hatte fallen lassen. So etwas war nicht einmal in unserer Hütte üblich gewesen. Und die vornehmen Damen, über die ich in den Zeitschriften gelesen hatte, schmissen sicher auch nicht ihre Wäsche einfach auf den Boden. Dabei hatte Kitty so ein Theater gemacht, daß alles sauber und ordentlich sein sollte! Andererseits, dachte ich mir, mußte sie nicht auf Schaben und anderes Ungeziefer achten, wie das in unserer Hütte der Fall war. Trotzdem, es war nicht recht von ihr. Ich hob ihre Kleider auf und legte sie ordentlich in den Wäscheschrank und bestaunte bei dieser Gelegenheit ihre Garderobe.
Leise trat ich aus dem Schlafzimmer und schloß die Tür vorsichtig hinter mir. Erleichtert atmete ich auf. Ich konnte nicht immer zwischen Mann und Frau schlafen… Es war einfach peinlich.
Wie still es im Haus war. Ich ging zum Badezimmer und betrachtete mich in dem Wandspiegel. Mein armes Gesicht! Es war rot geschwollen; wenn ich es berührte, tat es an manchen Stellen weh und an anderen war die Haut trocken und gereizt. Ein Ausschlag von kleinen roten Pusteln brannte wie Feuer. Eine Stelle war sogar blutig, als hätte ich in der Nacht daran gekratzt. Tränen der Hilflosigkeit kullerten mir die Wangen herab… Würde ich jemals wieder hübsch werden?
Was hatte mir Großmutter immer gesagt? »Nimm, was du kriegst, und mach’ das Beste draus…«
Ich mußte mich also wohl oder übel in das Unvermeidliche fügen. Es tat weh, als ich mir das Nachthemd über den Kopf zog, es tat weh, die Arme zu heben und meine Beine zu bewegen. Wie hatte ich nur so tief schlafen können? Die Erschöpfung war wohl so groß gewesen, daß ich nicht einmal Schmerzen verspürt hatte. Aber die Nachtruhe hatte mir keine Erholung gebracht, da ich die ganze Zeit über schlechte Träume von Tom, Keith und Unserer-Jane gehabt hatte, die mich immer noch verfolgten. Ich setzte mich auf das rosa Seidenpapier des WC, zögerte aber, die Wasserspülung zu bedienen. Dann machte ich mich daran, meine völlig verfilzten Haare zu entwirren.
Durch die dünnen Wände zwischen Bade- und Schlafzimmer drang Kittys Ächzen und Stöhnen, als stelle sie der neue Tag gleich vor Probleme. »Wo, zum Teufel, sind meine Pantoffeln? Verdammt noch mal, wo ist denn dieses blöde Kind? Wenn sie das heiße Wasser aufbraucht, kann sie was erleben!«
Cals ruhige, sanfte Stimme tröstete Kitty wie ein kleines Kind. »Behandle sie gut, Kitty«, riet er ihr. »Du wolltest sie doch, vergiß das nicht. Warum du allerdings darauf bestanden hast, daß sie in unserem Bett schläft, ist mir unbegreiflich. Ein Mädchen in ihrem Alter braucht ein eigenes Zimmer, das sie nach ihrem Geschmack einrichten kann, wo sie träumen und ihre Geheimnisse haben kann.«
»Hier gibt’s keine Geheimnisse«, brauste Kitty auf.
Er fuhr fort, als hätte sie überhaupt nichts gesagt, und ich schöpfte Hoffnung. »Ich war von Anfang an dagegen. Besonders nach dem, was du gestern nacht getan hast. Wenn ich nur an die armselige Hütte denke und die rührenden Versuche, sie etwas wohnlicher zu gestalten. In diesem Augenblick wurde mir erst bewußt, wie gut es uns geht. Kitty, auch wenn du deine Töpferscheibe und das andere Zeug nicht aufräumen willst, könnten wir ein Bett und einen
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