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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Bücher aber steht, du sollst Vater und Mutter ehren… Vergiß das nicht, Heaven, mein Kind.«
    »Und warum steht nicht im Buch der Bücher, du sollst deine Kinder ehren? Warum nicht, Großvater?«
     
     
    Wieder kam ein Sturm auf, und es schneite so heftig, daß sich die Schneemassen bis zu unserem Fenster türmten und die Veranda bedeckten. Eine Eisschicht versperrte uns die Sicht durch die billigen Fensterscheiben. Gott sei Dank hatte Vater uns Nahrungsmittel gebracht, die für ein paar Tage reichen würden.
    Ohne das fröhliche Gezwitscher Unserer-Jane und die Sanftmut von Keith herrschte Trübsal in unserer Hütte. Ich vergaß, wieviel Sorgen und Mühe Unsere-Jane mir bereitet hatte mit ihren heftigen Bauchschmerzen, die man kaum lindern konnte. Ich erinnerte mich nur an ihren jungen, zarten Körper, an ihren süßen Nacken, wo die Locken feucht wurden, wenn sie schlief. Eng umschlungen, die Augen geschlossen, hatten sie und Keith im Schlaf wie zwei Engel ausgesehen; ich erinnerte mich an Keith, wie er sich gerne in den Schlaf wiegen und sich wohl tausendmal die gleichen Gute-Nacht-Geschichten vorlesen ließ. Und ich dachte an seine Gute-Nacht-Küsse, seine kräftigen Beine; wieder hörte ich, wie er mit leiser Stimme vor dem Schlafengehen betete, sah, wie Unsere-Jane neben ihm kniete, beide barfuß, ihre kleinen rosa Zehen fest angezogen. Nie hatten sie richtige Schlafanzüge besessen. Ich weinte, mir ging es immer schlechter, ich war zornig und aufgebracht; jede Erinnerung verwandelte sich in eine Pistolenkugel, mit der ich früher oder später den Mann erschießen wollte, der mir so viel genommen hatte.
    Unser armer Großvater verlor nun endgültig die Fähigkeit zu sprechen. Er war jetzt wieder genauso stumm wie zu Großmutters Lebzeiten; er schnitzte nicht mehr, spielte nicht auf der Geige, er starrte nur ins Leere und schaukelte hin und her. Hie und da murmelte er ein Gebet vor sich hin, das jedoch niemals erhört wurde.
    Wie alle unsere Gebete niemals erhört wurden.
    In meinen Träumen sah ich Unsere-Jane und Keith, wie sie aufwachten und sie das schönste und glücklichste Weihnachtsfest erwartete. Ich sah sie in hübschen, roten Nachtgewändern aus Flanell, wie sie in einem eleganten Wohnzimmer spielten, in dem ein riesiger Weihnachtsbaum stand, unter dem unzählige Spielsachen und Kleider lagen. Ich lachte vor Freude im Traum, während Unsere-Jane und Keith im Zimmer herumsausten, die Geschenkpakete öffneten, mit Spielzeugautos fuhren; Unsere-Jane, klein wie sie war, kroch in ein Puppenhaus; lange, bunte Strümpfe waren prall gefüllt mit Orangen, Äpfeln, Bonbons, Kaugummis und Schokoladenplätzchen; schließlich wurde ein langer Tisch mit einem weißen Tischtuch und glitzerndem Kristall und Silber gedeckt. Ein großer, braungebratener Truthahn wurde auf einem Silbertablett serviert, der mit den Speisen, die wir damals in dem Restaurant gegessen hatten, garniert war. Ein Kürbiskuchen, wie ich ihn in einer Zeitschrift gesehen hatte, stand auch auf dem Tisch. Oh, was meine Träume Unserer-Jane und Keith nicht alles gönnten!
    Nun, da Unsere-Jane und Keith mich nicht mehr ablenkten, hörte ich intensiver Fannys ewiges Gemurre, daß sie nicht von den reichen Leuten mit den feinen Kleidern und dem prächtigen Wagen ausgesucht worden war.
    »Die reiche Dame hätte genausogut mich aussuchen können«, sagte sie wohl schon zum hundertsten Mal, »wenn ich bloß die Zeit gehabt hätt’, mir die Haare ordentlich zu waschen und mich zu baden. Hast das ganze heiße Wasser für die Kleinen verwendet, Heaven! Bist gemein! Hab’ den reichen Leuten nicht gefallen, bloß weil ich unordentlich ausgesehen hab. Warum hat Vater uns nicht gesagt, wir sollen uns herrichten?«
    »Fanny«, rief ich außer mir, »was ist denn mit dir los? Einfach mit Fremden zu gehen, die man überhaupt nicht kennt. Nur Gott weiß, was den beiden zustoßen wird…« Ich hielt inne und fing zu weinen an.
    Tom versuchte mich zu trösten. »Es wird alles gut werden. Die ›neuen Eltern‹ von Unserer-Jane und Keith sind doch reich und gebildet. Stell dir vor, wie schrecklich das gewesen wär’, wenn Vater sie an Leute verkauft hätte, die genauso arm sind wie wir.«
    Wie zu erwarten, nahm Großvater Partei für seinen Sohn. »Luke tut nur, was er für das Beste hält… Halt deinen Mund, Mädchen, wenn du ihn das nächste Mal siehst, oder er wird dir was Schlimmes antun. Ist hier nicht der richtige Ort für Kinder, ‘s wird ihnen dort

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