Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
viel besser gehen. Hör auf zu weinen, und find’ dich zurecht mit dem, was du doch nicht ändern kannst. Darum geht es ja im Leben – man muß den Stürmen standhalten.«
    Ich hätte es wissen müssen, daß Großvater – ebenso wie Großmutter früher – nicht zu mir halten würde, wenn es um Vater ging. Immer hatten sie eine Entschuldigung für sein brutales Benehmen gefunden. Im Grunde seines Herzens sei er ein guter Mann – sagten sie. Unter seiner Härte und Grausamkeit sei er ein verhinderter Gentleman, der nur noch nicht den rechten Weg für sich gefunden hatte.
    Für mich war er ein Monster, für den nur die eigenen Eltern Liebe empfinden konnten.
    Ich kam so wenig wie möglich in die Nähe des alten Mannes, der mich so oft enttäuscht hatte. Warum war Großvater nicht stark genug, um für unsere Rechte zu kämpfen? Warum machte er nicht endlich seinen Mund auf? Warum drückte er seine Gedanken nur in Form kleiner hübscher Holzfiguren aus? Er hätte seinem Sohn sagen sollen, daß er seine Kinder nicht verkaufen durfte. Aber er hatte kein einziges Wort gesagt, nicht ein einziges.
    Bitterkeit erfüllte mich bei dem Gedanken, daß Großvater, wenn es ging, jeden Sonntag die Kirche besuchte, sang und sich mit gesenktem Kopf zum Gebet erhob; aber zu Hause wurden kleine, halbverhungerte Kinder geprügelt und gequält und dann verkauft.
    »Wir werden weglaufen«, flüsterte ich Tom zu, als Fanny schon schlief und Großvater auf seiner Schlafdecke lag. »Wenn der Schnee geschmolzen ist, ziehen wir alle unsere warmen Kleider an und fliehen zu Miß Deale. Sie ist jetzt bestimmt schon aus Baltimore zurück. Sie muß einfach schon zurück sein. Sie wird uns sagen, was wir zu tun haben und wie wir Unsere-Jane und Keith zurückbekommen können.«
    Ja, wenn überhaupt jemand Bescheid wußte, wie man Vaters Pläne, uns zu verkaufen, durchkreuzen könnte, dann sicherlich Miß Deale. Sie kannte bestimmt tausend Dinge, von denen Vater nie in seinem Leben gehört hatte; außerdem hatte sie Verbindungen.
    Es schneite drei Tage hintereinander.
    Und dann plötzlich brach die Sonne aus den Wolken hervor. Das helle Licht blendete uns fast, als Tom die Tür aufstieß, um hinauszuschauen.
    »Es ist vorbei«, sagte Großvater mit schwacher Stimme. »So sind die Wege des Herrn; er rettet uns immer dann, wenn wir glauben, in der nächsten Stunde sterben zu müssen.«
    Wieso waren wir gerettet? Das Sonnenlicht rettete uns keineswegs, es wärmte uns höchstens etwas. Ich trat zurück in die alte, baufällige Hütte, in der unsere spärlichen Vorräte lagerten. Wieder hatten wir nichts zu essen, nur noch ein paar Nüsse, die wir im Herbst gesammelt hatten.
    »Ich mag Nüsse«, erklärte Tom gutgelaunt, setzte sich hin und machte sich über sie her. »Wenn genug Schnee geschmolzen ist, können wir unsere wärmsten Sachen anziehen und fliehen. Wär’ es nicht wunderbar, immer nach Westen in Richtung Sonne zu ziehen? Wir landen bestimmt in Kalifornien und leben von Datteln und Orangen und trinken Kokosmilch. Wir werden im goldenen Gras liegen und auf die goldenen Berge schauen…«
    »Haben sie auch goldene Straßen in Hollywood?« wollte Fanny wissen.
    »Wahrscheinlich ist in Hollywood alles aus Gold«, sinnierte Tom, der immer noch hinausblickte. »Oder vielleicht aus Silber.«
    Großvater sagte nichts.
    Wir lebten in einem eigenartigen Land. Der Frühling konnte so plötzlich wie ein Blitz einschlagen und ebensoviel Schaden anrichten. Es gab Tage im Dezember, Januar oder Februar, an denen es so warm wie im Frühling war, daß die Blumen und Bäume dazu verlockt wurden, ihre Knospen zu öffnen; dann brach der Winter wieder ein und die Blüten und Blätter erfroren. Wenn dann der richtige Frühling kam, dann ließen sich diese Pflanzen nicht mehr dazu verleiten zu knospen – zumindest nicht in diesem Jahr.
    Bald verwandelte die Sonne den Schnee in Matsch.
    Bäche und Flüsse schwollen an und rissen Brücken mit sich und die Waldpfade wurden zerstört. Nun, da auch unsere Brücke zerstört war, verringerten sich unsere Fluchtchancen gewaltig. Vollkommen erschöpft kehrte Tom von einer Erkundungsreise zurück und berichtete, daß alle Brücken in der näheren Umgebung fortgerissen worden waren.
    »Die Strömung ist viel zu stark, sonst könnten wir hinüberschwimmen. Morgen wird es schon besser sein.«
    Ich legte den Roman Jane Eyre beiseite und trat stumm neben Tom. Nach einer Weile kam auch Fanny herbeigeeilt. »Laßt uns einen Eid

Weitere Kostenlose Bücher