Casteel-Saga 02 - Schwarzer Engel
breite Flügeltüren: »Bei meiner Hochzeit mit Jillian ließ ich zwei Zimmer für Leigh herrichten. Sie war damals zwölf, und um ihr zu schmeicheln, gab ich ihr keine Mädchenzimmer, sondern schon sehr weibliche. Ich hoffe, sie gefallen dir…« Er hielt den Kopf zur Seite, so daß ich seine Augen nicht sehen konnte.
Schwach und verschwommen kam das Sonnenlicht durch die blassen, elfenbeinfarbenen Vorhänge und ließ das Wohnzimmer unbenutzt und unwirklich erscheinen. Im Vergleich zu den unteren Räumen war dieser hier klein, aber immer noch doppelt so groß wie unsere ganze Hütte. Die Wände waren mit einem exklusiven gleichfarbigen Seidenstoff tapeziert, in den ganz fein ein mattes orientalisches Muster in Grün, Violett und Blau eingewoben war. Auch die beiden kleinen Sofas waren mit demselben Stoff überzogen und darauf kleine, zartblaue Kissen, die zum China-Teppich auf dem Boden paßten. Ich versuchte mir vorzustellen, wie ich es mir in diesem Raum bequem machte, behaglich vor den kleinen Kamin gekuschelt – es war unmöglich. Derbe Kleidung würde einen so feinen Stoff ruinieren. Ich würde sehr behutsam sein müssen, um auf den Wänden, dem Sofa und den vielen Lampenschirmen keine Fingertapser zu hinterlassen. Bei diesem Gedanken mußte ich halblaut lachen. Hier würde ich nicht in den Bergen leben, nicht im Garten arbeiten oder Fußböden schrubben, so wie in der Hütte oder in Kitty und Cal Dennisons Haus in Candlewick.
»Komm, schau dir dein Schlafzimmer an«, rief Tony und ging mir schon voraus. »Ich muß mich schleunigst für die Party umziehen, die Jillian nicht versäumen möchte. Verzeih ihr, Heaven, aber sie hatte schon Pläne geschmiedet, bevor sie wußte, daß du kommst. Obendrein ist die Frau, die diese Party gibt, ihre beste Freundin und zugleich ihre Intimfeindin.« Amüsiert über meinen Gesichtsausdruck kraulte er mich unterm Kinn und marschierte direkt zur Tür. »Wenn du irgend etwas brauchst, ruf an und ein Mädchen bringt’s herauf. Solltest du lieber im Eßzimmer essen, ruf die Küche drunten an und sag es ihnen. Das Haus gehört dir, amüsier dich.«
Bevor ich antworten konnte, war er schon zur Tür hinaus und hatte sie geschlossen. Ich drehte mich im Kreise und betrachtete eingehend das hübsche Doppelbett mit den vier Pfosten und dem schweren Spitzenhimmel darauf. Blau und elfenbeinfarben, wie sehr mußten diese beiden Räume zu ihr gepaßt haben. Ihr Stuhl war aus blauem Satin, während die drei anderen in ihrem Schlafzimmer zu denen im Wohnzimmer paßten. Ich ging in den Ankleideraum und ins Bad weiter, beeindruckt von all den Spiegeln, den Kristalleuchtern und der indirekten Beleuchtung, die den riesigen begehbaren Kleiderschrank erhellte. Gerahmte Fotografien säumten den langen Schminktisch. Rasch setzte ich mich davor und starrte auf das hübsche kleine Mädchen, das da auf den Knien ihres Vaters saß.
Dieses Kind mußte meine Mutter sein! Und der Mann mein wirklicher Großvater! Zitternd vor Freude hob ich den kleinen Silberrahmen hoch.
In diesem Augenblick klopfte jemand leise an meine Schlafzimmertüre. »Wer ist da?« rief ich.
»Ich bin’s, Beatrice Percy«, antwortete eine steife, weibliche Stimme. »Mr. Tatterton schickt mich herauf nachzusehen, ob ich Ihnen beim Auspacken oder Aufräumen Ihrer Sachen helfen kann.« Die Tür ging auf und eine große Frau in der schwarzen Kleidung eines Zimmermädchens betrat mein Schlafzimmer. Verhalten lächelte sie mich an. »Jeder hier nennt mich Percy, auch Sie können das tun. Während Ihres Aufenthalts werde ich Ihre persönliche Zofe sein. Aufgrund meiner Ausbildung kann ich Ihre Haare frisieren und Ihre Nägel maniküren. Und wenn Sie wünschen, werde ich Ihnen jetzt ein Bad einlaufen lassen.« Dienstbeflissen wartete sie.
»Üblicherweise bade ich vor dem Schlafengehen, oder ich dusche als erstes am Morgen«, erwiderte ich erstaunt. Ich pflegte keine intimen Angelegenheiten mit einer fremden Frau zu besprechen.
»Mr. Tatterton hat mir aufgetragen, mich um Sie zu kümmern.«
»Danke, Percy, aber momentan brauche ich nichts.«
»Können oder sollten Sie irgend etwas nicht essen?«
»Ich habe einen ausgezeichneten Appetit – ich kann alles essen und das meiste mag ich auch.« Nein – ich besaß keinen wählerischen Appetit, sonst wäre ich schon zu Tode verhungert.
»Möchten Sie, daß das Abendessen heraufgeschickt wird?«
»Ganz wie es für Sie einfacher ist, Percy.«
Sofort, aber nur ganz leicht, runzelte
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