Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
sprach?«
»O Luke, es war so schrecklich und ekelhaft! Ich fühlte mich völlig hilflos und ausgeliefert! Und was alles noch schmerzlicher macht, ist die Erkenntnis… daß das, was ich für gute medizinische Behandlung hielt, nur ein Teil des Wahnsinns um mich herum war! Diese Erinnerungen werden mich mein ganzes Leben lang verfolgen!«
»Nein, das werden sie nicht. Denn sobald diese schrecklichen Erinnerungen auftauchen, werde ich da sein und sie vertreiben«, versprach er mit entschlossenem Blick. »Aber erzähl mir etwas davon. Vielleicht hilft es, wenn du darüber sprichst.«
»O Luke, es war so peinlich… und jetzt, da ich weiß, welche krankhaften Wahnideen hinter allem stecken, fühle ich mich beschmutzt und befleckt.« Ich schüttelte mich, um diese quälenden Gedanken und Gefühle zu verscheuchen.
Luke nahm meine Hand. »O Annie, was hat er dir getan?«
»Er brachte mich dazu, mich vor ihm auszuziehen, und bestand darauf, mir beim Baden behilflich zu sein.«
Luke starrte mich entgeistert an.
»Ich konnte mich nicht gegen ihn wehren. Da war niemand, den ich hätte rufen können… und er benahm sich so… so väterlich. Ich ließ ihn meinen Rücken waschen, ich ließ ihn… O Luke, der Gedanke ist abscheulich.«
Ich bedeckte mein Gesicht mit den Händen. Luke trat zu mir und umarmte mich, drückte mich fest an sich und streichelte mein Haar. Dann küßte er mich auf die Stirn, und ich drückte mein Gesicht gegen seines.
»Ich ärgere mich so sehr über mich selbst, weil ich nicht früher kam, um dich zu retten.«
»Du hattest keine Möglichkeit, etwas davon zu erfahren«, sagte ich. »Und doch… In den schlimmsten, schmerzhaftesten und einsamsten Augenblicken dachte ich an dich. O Luke, ich fühle mich wieder so geborgen und sicher bei dir.« Unsere Gesichter waren sich so nahe… wir blickten uns tief in die Augen. »Ich weiß, es ist nicht fair. Ich sollte keine Forderungen an dich stellen und dich nicht davon abhalten, eine richtige Freundin zu haben, aber – «
»Sag nichts mehr, Annie. Ich bin glücklich… bei dir zu sein.«
Er küßte mich auf die Wange. Ich schloß die Augen, ich wartete, nein hoffte, seine Lippen würden sich gegen meine pressen – aber er tat es nicht. Mein Körper zitterte vor Erwartung. Ich spürte, wie das Blut in mir aufstieg. Meine Brust war gegen seinen Arm gepreßt.
»O Luke, ich bin machtlos gegen das, was ich für dich empfinde«, hauchte ich.
»Mir geht es genauso, Annie«, flüsterte er.
Einen Augenblick lang hielten wir uns umschlungen; dann ließ er mich los und trat ein paar Schritte zurück. Wir schwiegen beide und sahen einander nur an. Dann räusperte er sich und fragte mit belegter Stimme: »Weißt du, wer meine Mutter angerufen hat?«
Ich zögerte, da ich mich fragte, ob ich Luke Troys Geheimnis offenbaren durfte.
»Wenn ich es dir sage, versprichst du mir dann, es niemandem zu erzählen?«
»Natürlich. Es gibt doch schon so viele Dinge zwischen uns, die fest in meinem Herzen verschlossen sind!«
»Es war Troy Tatterton.«
»Troy Tatterton? Aber ich dachte – «
»Troy Tatterton ist nicht tot, Luke, aber er möchte, daß die Leute es glauben.«
»Warum?«
»Er möchte anonym leben. Sein früheres Leben war sehr traurig. Er möchte einfach seine Ruhe haben.«
»Also war er es, der meine Mutter angerufen hat? Das war ein großes Glück.«
»Ich glaube, es war mehr als nur Glück. Ich glaube, er hat einfach beschlossen, sich um mich zu kümmern. Er nahm mich mit zu seiner Hütte, und weißt du was, Luke? Die Spielzeuguhr meiner Mutter ist eine Nachbildung dieser Hütte!«
»Wirklich?«
»Als wir in seiner Hütte waren, half er mir, aufzustehen und einige Schritte zu machen. Ich fühlte mich wie ein Baby, das gerade Laufen lernt, aber er brachte mich soweit, daß ich mich wirklich anstrengte.«
»Natürlich. Wir werden heute morgen noch eine Gehhilfe besorgen, und ich werde dir rund um die Uhr zur Verfügung stehen.«
»Hilf mir bitte in den Rollstuhl.«
Er schaute sich einen Moment lang hilflos um.
»Bist du sicher? Ich meine – «
»Natürlich bin ich sicher. Ich bin doch nicht aus Porzellan, Luke Casteel.«
Er holte den Rollstuhl an mein Bett und zog sanft die Bettdecke weg. Dann schob er seine linke Hand unter meine Schenkel und umfaßte mit dem rechten Arm fest und sicher meine Taille.
»Ich bin doch nicht zu schwer, oder?«
»Zu schwer? Du bist so leicht wie ein sanfter, zarter Traum.«
Er hielt mich einen Moment lang
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