Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
zurückgesetzt worden war.
»Drake.« Ich streckte bittend meine Hand nach ihm aus.
»Nein!« Er zuckte zurück und schüttelte den Kopf. »Heaven würde auf meiner Seite stehen, ganz bestimmt. Sie hat es nicht gern gesehen, daß ihr andauernd zusammen wart.«
»Das stimmt nicht, Drake«, warf ich ein, doch ich wußte, daß er recht hatte.
»O doch«, beharrte er. »Sie machte sich Sorgen, denn sie wußte, was los war. Nun, ich werde nicht hierbleiben und all das mitansehen oder gar billigen. Wenn du wieder bei Verstand bist, ruf mich an, und ich werde alles stehen und liegen lassen, egal wie wichtig es ist, und dich wieder dorthin bringen, wo du hingehörst. Farthy gehört dir, es gehört uns…ja, es wird uns einmal ganz gehören.«
»Aber ich will es nicht, Drake. Farthy ist nicht so, wie du denkst. Meine Mutter hatte recht. Du bist derjenige, der nicht zuhört. Dieser Ort ist nichts als… ein Friedhof voller trauriger Erinnerungen. Geh nicht dorthin zurück! Bleib hier. Arbeite in der Fabrik und vergiß das alles, Drake. Bitte!« flehte ich.
»Nein, es wird mir gehören. Alles wird mir gehören. Tony hat es versprochen. Ja, er hat es versprochen. Denk an das, was ich dir gesagt habe. Wenn du wieder bei Verstand bist, ruf mich an.«
Er wandte sich um und verließ das Zimmer. Die Tür blieb weit offen stehen. »Drake!«
Mein Schrei verhallte in der leeren Tür. Ich vergrub das Gesicht in meinem Kopfkissen und schluchzte. Drake hatte so böse und zornig ausgesehen! Von dem liebenden Blick des älteren Bruders war nichts übriggeblieben. Auch der sanfte Ausdruck war aus seinen Augen gewichen. Jetzt brannten nur mehr Haß und Neid in seinem Blick. Die Macht und der Reichtum der Tattertons hatten ihn völlig verändert. Es war, als hätte er seine Seele dem Teufel verschrieben…
Luke kam nicht zu mir herauf, nachdem Drake weggegangen war, und so wußte ich nicht, ob noch böse Worte zwischen ihnen gefallen waren. Mrs. Avery fragte mich, ob ich zum Mittagessen ins Eßzimmer kommen wollte, aber ich war zu aufgeregt, um jetzt unter Menschen zu sein; und so brachte Tante Fanny mir das Essen ans Bett. Ich fragte sie, wo Luke wäre.
»Er hat gesagt, er muß allein sein, damit er in Ruhe nachdenken kann. Ich hab nich widersprochen. Wenn ein Casteel in so ‘ner Stimmung ist, muß man ihn in Ruhe lassen. Wenn man das nich macht, wird er böse.«
»Ich habe Luke noch nie böse erlebt, Tante Fanny.«
»Na… hast ihn auch noch nich so verrückt erlebt wie ich. Natürlich hat er manchmal recht sich aufzuregen. Wenn er mit dir zusammen is, is er auch anders. Aber wie dem auch sei, jetzt hat er sich erst mal verzogen.«
»Sobald Luke zurückkommt, schick ihn doch bitte zu mir herauf, Tante Fanny.«
Sie nickte und ging. Um auf andere Gedanken zu kommen, arbeitete ich an meinem letzten Bild von Farthy weiter. Ich nahm jetzt die Veränderungen vor, die es meiner Ansicht nach wirklichkeitsgetreuer machten. So schloß ich mit den Phantasien meiner Kindheit ab. Ich fügte auch noch einen Mann hinzu, der gerade aus dem Irrgarten trat. Als ich fertig war und mich zurücklehnte, stellte ich fest, daß ich Troys Augen, seine Nase und seinen Mund gut getroffen hatte. Ich war selbst von meinem Werk beeindruckt.
Die Arbeit hatte mir wieder Kraft gegeben, und so entschloß ich mich, das Abendessen im Eßzimmer einzunehmen.
Tante Fanny und Mrs. Avery brachten mich nach unten. Luke war noch immer nicht zurückgekommen. Ich hatte kaum Hunger, obwohl Roland mein Lieblingsessen, gebratenes Hühnchen mit Sherry-Sauce, gekocht hatte. Mein Blick war ständig auf die Tür gerichtet. Wie sehr sehnte ich mich danach, daß Luke hereinkommen würde! Aber er kam nicht.
Ich sah ein wenig mit Tante Fanny fern, doch ich war nur halb bei der Sache. Immer wieder lauschte ich auf ein Geräusch von der Eingangstür, doch die Stunden vergingen, und Luke kam nicht zurück… Schließlich ging ich enttäuscht zu Bett.
Ich verfiel in einen leichten Schlaf, aus dem ich ständig erschrocken auffuhr, weil ich ein Geräusch gehört zu haben glaubte. Kurz nach Mitternacht wachte ich erneut auf, weil ich Lukes Anwesenheit im Zimmer spürte; und als ich die Augen öffnete und aufsah, stand er wie erwartet im gleißenden Mondlicht neben meinem Bett und starrte auch mich herab.
»Luke, wo warst du die ganze Zeit? Warum bist du so lange weggeblieben?« fragte ich. Er sah nachdenklich zu mir herab.
»Ich war in dem Häuschen in den Willies, Annie, um dort in
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