Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden
nach Farthy bringen.«
»Drake, das letztemal, als du mich in Farthy besucht hast, hast du versprochen, mir zu helfen von dort wegzukommen, wenn ich es unbedingt wollte.«
»Das habe ich nur gesagt, weil du von den Medikamenten und all dem so durcheinander warst.«
»Drake, es waren nicht die Medikamente. Das Ganze begann mit Mrs. Broadfield. Sie war so häßlich zu mir!«
»Nun… Tony hat sie doch entlassen, oder? Er hat eine andere Krankenschwester gesucht. Das war doch kein Problem.«
»Tony war das Problem, Drake. Tony war ein großes Problem. Er wollte nie, daß ich gesund werde.«
»Was? Nun hör mal zu…«
»Nein, jetzt hörst du mir bitte zu. Tony wollte, daß ich für immer dableibe. Er wollte mich in seiner wirren Phantasiewelt gefangenhalten. Er hat meine Genesung bewußt hinausgezögert, damit ich in diesem Bett bleiben müßte und länger von ihm abhängig wäre. Warum hätte er sonst meinen Rollstuhl und meine Gehhilfe aus dem Zimmer entfernt, nachdem ich ihm gezeigt habe, daß ich allein aufstehen konnte? Er wollte nicht, daß ich das Zimmer verlasse!«
»Ich bin sicher, er wollte nur verhindern, daß du dich übernimmst und damit deine Genesungschancen verringerst.« Er lehnte sich lächelnd zurück. »Kranke sind oft zu ungeduldig und wollen zu schnell wieder auf die Beine kommen und…«
»Nein, Drake, ihm ging es nicht um mein Wohlergehen. Er hat nur an sich selbst gedacht.«
»Nun, Annie«, sagte er und beugte sich dabei vor, »ich weiß…«
»Er ist krank!« Ich hob die Stimme und meine Augen weiteten sich. Die plötzliche Entschlossenheit, die ich ihm entgegensetzte, ließ ihn für einen Moment innehalten. »Drake, er… er kam nachts zu mir und dachte, ich wäre meine Großmutter Leigh!«
»Was?« Ein ungläubiges Lächeln glitt über sein Gesicht.
»Ja, er wollte… er wollte mich lieben, da er dachte, ich wäre Leigh.«
»O Annie, sicherlich hattest du Halluzinationen, die durch deine Medikamente hervorgerufen wurden. Tony ist einfach… nur ein einsamer, alter Mann. Und darum bin ich auch gleich hergekommen«, sagte er. Er hatte jetzt einen belehrenden Ton angeschlagen. »Du hast ihm das Herz gebrochen, als du zugelassen hast, daß Fanny und Luke dich aus Farthy holten. Als er mich anrief, war er den Tränen nahe. Er hat nicht verstanden, warum du gefahren bist, ohne dich von ihm zu verabschieden. ›Ich habe doch alles für sie getan‹, hat er mir am Telefon gesagt. ›Und ich würde noch mehr tun, alles, was sie will! Ich wollte sogar Farthy renovieren!‹«
»O Drake, warum verschießt du die Augen vor dem, was dort geschieht?«
»Ich verschließe nicht die Augen. Ich sehe einen freundlichen alten Mann, der bestrebt ist uns zu helfen, der mir eine wichtige Position übertragen hat… der mir die Leitung der Willies-Spielzeugfabrik versprochen hat und auch viele andere Projekte… Jemanden, der in medizinischer Hinsicht alles für dich getan hat, der bereit ist, keine Kosten zu scheuen, damit du wieder gesund wirst.
Aber ich sehe auch meine Halbschwester, diese Schlampe, die dir nichts als Lügen erzählt hat, nur um dich hierher zurückzuholen, nur damit sie in diesem Haus leben und alles genießen kann, was Heaven und Logan gehörte. Und ich sehe meinen perversen Neffen, der eifrig vorgibt, sich aufopfernd um dich zu kümmern, nur damit… damit er dich ausnützen kann. Er hat ja nicht eine Sekunde verschwendet, um dich zum Pavillon zu bringen. Zu eurem magischen Platz«, fügte er höhnisch hinzu.
»Er ist nicht pervers, Drake. Und ich war es, die zum Pavillon gehen wollte!«
»Annie, du bist jetzt so schwach, so verletzlich, deine Gefühle sind völlig ungeschützt… jeder kann dich ausnützen… Fanny, die dir nichts als Lügen erzählt, und Luke, der ständig in deiner Nähe ist, dich anfaßt… Darum werde ich dich nach Farthy zurückbringen, wo du in Sicherheit bist.«
»In Sicherheit? Hast du nichts von all dem begriffen, was ich dir erzählt habe?«
»Luke hat dich gegen mich aufgehetzt. Er setzt dir all diese Flausen in den Kopf! Darum willst du nicht auf mich hören und…«
»Hör auf, ihn ständig zu verurteilen. Du täuschst dich in ihm. Luke war wundervoll, er hat sogar sein Studium unterbrochen, nur um mir zu helfen.«
»O ja, du verteidigst ihn natürlich, das hast du ja immer getan. Ganz egal, was ich dir gesagt oder erzählt habe, du hast immer einen Weg gefunden, ihn zu rechtfertigen«, beklagte er sich wie jemand, der sein ganzes Leben
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