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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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wandte ihr mein tränenüberströmtes Gesicht zu.
    »O Mammi, ich weiß es nicht«, schluchzte ich. »Manchmal muß ich einfach weinen und fühle mich so elend. Ich weiß, daß ich glücklich sein sollte. Bald werde ich meinen Abschluß machen und dann zu einer langen Reise nach Europa aufbrechen. Ich werde all die wundervollen Orte sehen, über die die meisten anderen Leute nur lesen oder die sie allenfalls von Bildern kennen. Ich habe so viele Dinge, die andere Mädchen in meinem Alter nicht haben, aber…«
    »Aber was, Annie?«
    »Aber mir kommt es so vor, als würde alles plötzlich zu schnell gehen. Luke wird bald aufs College gehen, und er wird ein ganz anderer Mensch werden. Wir werden uns wahrscheinlich kaum noch sehen«, weinte ich.
    »Aber das bringt nun einmal das Erwachsenwerden mit sich, Annie.« Meine Mutter lächelte und küßte mich auf die Wange.
    »Und all die Dinge, die mir immer so wichtig und groß schienen, werden plötzlich klein und… unbedeutend. Der Pavillon…«
    »Was ist mit dem Pavillon, Annie?« Das Lächeln schien auf ihren Lippen zu erstarren, und sie wartete, während ich versuchte, die richtigen Worte zu finden.
    »Es ist jetzt nur ein ganz gewöhnlicher Pavillon«, sagte ich.
    »Nun, Annie, er war nie etwas anderes.«
    »Nein, es war mehr«, beharrte ich. Viel mehr, dachte ich. Er war unser Traumhaus gewesen, und nun entschwanden unsere Träume allzu rasch.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Du durchlebst etwas, was jeder junge Mensch in deinem Alter durchmachen muß, Annie. Das Leben kann sehr schwierig sein, wenn man an diesen Kreuzweg kommt. Bis jetzt warst du ein kleines Mädchen, das geliebt und behütet wurde, und jetzt erwartet man, daß du erwachsen wirst und Verantwortung übernimmst.«
    »War es bei dir genauso?« fragte ich.
    »Ich fürchte, schon viel eher als bei dir.«
    »Weil dein Vater dich und deine Brüder und Schwestern verkauft hat?«
    »Sogar noch früher, Annie. Ich hatte nicht viel Gelegenheit, ein kleines Mädchen zu sein. Ehe ich begriffen hatte, was geschah, mußte ich Keith und Jane eine Mutter sein.«
    »Ich weiß. Und Fanny war leider keine Hilfe.«
    »Nein.« Sie lachte. »Wohl kaum. Fanny war immer in der Lage, ihre Probleme abzustreifen wie ein Kleidungsstück. Aber dein Onkel Tom war eine große Hilfe. Tom war wunderbar, er war stark und sehr reif für sein Alter. Ich wünschte, du hättest ihn kennengelernt«, fügte sie nachdenklich hinzu. Ihre Augen, die den meinen so sehr glichen, nahmen einen abwesenden Ausdruck an.
    »Aber später, nachdem du dich entschlossen hast in Farthy zu leben, ist dein Leben doch um vieles leichter geworden, nicht wahr?« erwiderte ich in der Hoffnung, daß sie mir mehr erzählen würde. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf.
    »Nicht sofort. Vergiß nicht, daß ich ein Mädchen aus den Willies war und nun plötzlich in einer verrückten, raffinierten, luxuriösen Welt leben sollte. Ich wurde in eine Eliteschule geschickt, auf die nur reiche, eingebildete Mädchen gingen, die auf mich herabsahen.« Bei dieser Erinnerung verhärtete sich ihr Gesicht.
    »Reiche Mädchen können sehr grausam sein, denn ihr Geld schützt sie wie ein Kokon. Sei nie geringschätzig oder unfreundlich gegenüber denen, die weniger besitzen als du, Annie.«
    »Oh, bestimmt nicht«, beteuerte ich. Meine Mutter hatte mir das eingeschärft, seit ich sprechen konnte.
    »Nein, ich nehme auch nicht an, daß du so werden wirst.« Sie lächelte zärtlich. »So sehr dein Daddy sich auch bemüht hat, es ist ihm nicht gelungen, dich zu verziehen«, sagte sie, und ihr Blick ruhte liebevoll auf mir.
    »Mutter, wirst du mir jemals erzählen, warum du Tony Tatterton so sehr haßt?« Ich schluckte hastig und biß mir auf die Zunge, um ja nichts von Drakes Brief und seinem Besuch in Farthy zu erzählen.
    »Ich hasse ihn nicht so sehr, wie ich ihn bemitleide, Annie«, sagte sie, und ihre Stimme klang fest. »Er mag einer der reichsten Männer der Ostküste sein, aber für mich ist er ein armer Mensch.«
    »Aber warum?«
    Sie starrte mich an. Konnte sie in meinem Gesicht lesen, was mir Drake geschrieben und am Telefon erzählt hatte? Ich mußte die Augen senken, doch eigentlich sah sie mich gar nicht an, sondern durch mich hindurch auf ihre eigenen Erinnerungen. Sie preßte die Lippen zusammen, und ihre Augen wurden schmal.
    »Mammi?«
    »Annie«, begann sie schließlich, »vor langer Zeit hat mir einmal jemand gesagt, daß man sich manchmal selbst täuscht, indem

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