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Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden

Titel: Casteel-Saga 04 - Nacht über Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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habe es da draußen nicht mehr ertragen, Annie. Da habe ich mir gedacht, daß es das beste wäre, wenn ich mich hier ins Wohnzimmer setze und warte, bis alles vorbei ist. Sie wirft sich allen Männern an den Hals, und die Art, wie sie sie küssen und wie sie ihre Küsse erwidert…« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Was will Mutter damit nur beweisen?«
    »Vielleicht, daß sie noch immer jung und hübsch ist und daß es immer junge Männer geben wird, die sie begehren.«
    »Warum kann sie sich nicht ihrem Alter entsprechend benehmen?«
    »Jetzt tanzt sie mit Daddy, und Mammi wird langsam ärgerlich«, sagte ich und versuchte nicht, meinen eigenen Ärger zu verbergen.
    Er sah schnell auf. »Tatsächlich? Das habe ich befürchtet. Und wie verhält sich dein Vater?«
    »Ich glaube, er will nur höflich sein und verhindern, daß ihr Verhalten noch peinlicher wird. Aber ich weiß nicht, wie lange meine Mutter das noch hinnehmen wird. Sie tut mir so leid, Luke.«
    »Ich glaube, es ist besser, wenn ich mit nach draußen komme. Vielleicht kann ich eingreifen. Es ist mir schrecklich unangenehm«, sagte er.
    »Du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang für deine Mutter entschuldigen, Luke.«
    »Es scheint mir, daß ich, solange ich denken kann, nichts anderes getan habe.« Er richtete sich auf. Er war sehr hübsch mit seinem hellblauen Sportblazer und der eleganten Krawatte. Sein volles, schwarzes Haar war weich und gewellt. Er sieht nicht mehr aus wie ein kleiner Junge, dachte ich, sondern wie ein Mann, ein Mann, der weiß, was in einer solchen Situation zu tun ist. Ich ging mit ihm hinaus.
    Die Band spielte jetzt andere Musik, ein Liebeslied aus den Willies. Die Männer aus den Berghütten hatten einen Kreis um Tante Fanny und Daddy gebildet. Daddy schien völlig außer Atem, während sie ihn immer wilder herumwirbelte.
    Sein zuvor tadellos gekämmtes Haar stand wild nach allen Seiten ab.
    Ich erblickte meine Mutter, die etwas abseits unter einer Tanne stand. In der Hand hielt sie einen Teller mit Essen, doch sie rührte nichts davon an.
    »Dein Vater macht sich zum Narren«, sagte sie, als Luke und ich zu ihr traten. »Ich warte nur darauf, daß er wieder zu sich kommt, doch soweit ich gesehen habe, hat er schon vier Drinks getrunken.«
    »Ich werde eingreifen«, erbot sich Luke, und ehe meine Mutter antworten konnte, war er zur Tanzfläche gegangen. Er schob zwei Männer zur Seite und trat in den Kreis, ergriff Tante Fannys freie rechte Hand und zog sie von Daddy weg an sich. Daddy torkelte einen Moment lang verwirrt herum; dann fing er sich, sah, daß Fanny mit Luke tanzte, und trat aus dem Kreis heraus. Meine Mutter ging auf ihn zu.
    »Du solltest besser etwas essen nach all dem Alkohol, Logan«, sagte sie und ihre Stimme war von schneidender Kälte.
    »Hm?«
    Er sah mich an und dann auf den Kreis, den die klatschenden Männer und Frauen um Luke und Fanny bildeten und der sich jetzt langsam in einzelne Paare auflöste. Dann wischte er sich mit einem Taschentuch das Gesicht ab und nickte.
    »Deine Schwester ist verrückt«, sagte er. Meine Mutter sah ihn nur an. »Ich bin halb verhungert«, fügte er hinzu und ging hinüber zum Büffet. Ich beobachtete, wie er schwankte; und als ich meine Augen zum Himmel hob, sah ich, wie sich die versteckten Wolken, von denen Roland Star gesprochen hatte, über den dunklen Bergen zusammenbrauten und auf Winnerrow zutrieben.
    Daddy holte einen Teller mit Essen und ließ sich auf einen der Stühle fallen, die Fanny auf dem Rasen um Tische herumgruppiert hatte. Mutter und ich setzten uns zu ihm und beobachteten, wie sich die Menge der Tanzenden immer mehr in eine wilde Besessenheit hineinsteigerte. Ich erkannte viele Leute aus der Stadt. Fanny hatte offensichtlich jeden, den sie getroffen hatte, eingeladen. Sie schien fest entschlossen, ihre Party zu einem der denkwürdigsten Ereignisse von Winnerrow zu machen.
    Die meisten der Gäste waren Arbeiter und kleine Angestellte; keiner von den Freunden meiner Eltern aus der Oberschicht hatte die Einladung angenommen, nicht einmal aus Höflichkeit ihnen gegenüber. Doch ich wußte, daß meine Mutter es ihnen verzeihen würde. Ich konnte mich nicht erinnern, daß sich meine Mutter jemals irgendwann so unwohl gefühlt hatte wie an diesem Abend.
    Plötzlich brach Tante Fanny den Tanz ab und ging zu dem Bandleader. Der nickte, und dann spielte die Band einen kurzen Tusch, dem ein Trommelwirbel folgte. Tante Fanny drehte einen kleinen

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