Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
damit ansprechen will«, fauchte sie. »Kannst du dir meine Fotografie neben einer Tatterton-Porträtpuppe im Schaufenster vorstellen, einer Puppe, die für Teenager gemacht wird? Ich mag zwar jung erscheinen, Leigh, aber ich sehe wahrhaft nicht wie ein Teenager aus, oder?«
Ich schüttelte matt den Kopf und war unsicher, ob ich ihr zustimmen oder ihr widersprechen sollte. »Vielleicht kannst du mich malen und die Skulptur herstellen«, sagte ich schnell. »Du bist doch Künstlerin.«
»Für so etwas habe ich wirklich keine Zeit, Leigh. Ich habe gesellschaftliche Verpflichtungen. Außerdem habe ich immer nur Phantasiegebilde gemalt. Du brauchst noch nicht einmal irgendwo hinzugehen, um dich malen zu lassen«, fuhr sie fort. »All das kann hier auf Farthy geschehen, und dann bist du für diesen Sommer wenigstens beschäftigt. Tony hat sich entschlossen, sich ein kleines Atelier in dem Häuschen hinter dem Irrgarten einzurichten, damit ihr beide ungestört seid.«
»In dem kleinen Häuschen?«
»Findest du nicht, daß das eine gute Idee ist?«
Ich nickte.
»Dann ist es ja gut. Ich werde ihm sagen, daß du es tun willst«, sagte sie und stand auf.
Ich lief in meine Suite, um mir den Badeanzug auszuziehen, mich unter die Dusche zu stellen und mich fürs Abendessen umzuziehen. Ich war verwirrt, die widersprüchlichsten Gedanken gingen mir durch den Kopf, und alle möglichen Gefühle rissen mich hin und her. Ich fand es selbstverständlich aufregend, daß mein Porträt in allen Schaufenstern neben einer kostspieligen Puppe, die nach mir gestaltet worden war, stehen sollte. Ich vermutete, daß die meisten meiner Freundinnen diese Gelegenheit sofort beim Schopf ergriffen hätten.
Aber Tony war Mamas neuer Mann, und er war jung und sah gut aus, und die Vorstellung, stundenlang splitternackt vor ihm zu stehen!
Ich zog mir den Badeanzug aus, stellte mich vor meinen hohen Spiegel und musterte jede Rundung meines Körpers. Die Adern um meine keimenden Brüste herum lagen dicht unter der Haut, die sich von Tag zu Tag mehr dehnte. Würde Tony sein Augenmerk auf solche Kleinigkeiten richten? Das kleine Muttermal, das ich direkt unter der rechten Brust hatte – würde die Puppe es auch haben? Ich war sicher, daß die Puppe angekleidet in den Schaufenstern stehen würde, aber jeder konnte sie ausziehen und sich ihren Körper ansehen. War das nicht, als zöge ich mich mitten im Schaufenster oder auf einer Bühne vor aller Augen aus?
»Leigh!« hörte ich Troy aus meinem Wohnzimmer rufen, und ich zog den Bademantel an. Er stürmte herein und war lebhafter, als ich ihn seit Wochen erlebt hatte. »Tony hat es mir gesagt! Er macht eine Puppe aus dir, eine Tatterton-Puppe, und eines Tages steht sie vielleicht sogar bei mir im Regal!«
»Also, Troy«, sagte ich, »du willst doch kein Spielzeug für kleine Mädchen haben, oder?«
»Das ist kein Spielzeug für kleine Mädchen«, widersprach er entschieden. »Es ist eine Tatterton-Puppe, und das ist etwas ganz Besonderes, oder etwa nicht?« Er nickte und rechnete fest mit meiner Zustimmung.
»Ich vermute, du hast recht«, sagte ich, und er strahlte.
»Aber Tony sagt, ich darf nicht kommen und zuschauen, wenn er die Puppe von dir macht. Er will nicht dabei gestört werden«, sagte Troy traurig. »Aber ich bin einer der ersten, der die Puppe sehen darf, wenn sie fertig ist. Das wird die schönste Puppe auf der ganzen Welt!« erklärte er. Dann dachte er einen Moment nach und sagte: »Ich werde es Rye Whiskey gleich erzählen.« Er rannte davon.
Was würde Daddy dazu sagen? fragte ich mich.
Es würde ihm nicht gefallen; nein, ihm konnte das nicht lieb sein, nicht Daddy. Wie sehr ich mir wünschte, er wäre wieder zu Hause, und ich könnte ihn fragen. Aber er war immer noch in Europa mit… Mildred Pierce.
Mildred Pierce, dachte ich erbost.
Ich ließ meinen Bademantel auf meine Füße fallen. Ich würde für eine Tatterton-Puppe Modell stehen. Es konnte sogar durchaus die Möglichkeit bestehen, daß ich Daddy eine zu seiner nächsten Hochzeit schenkte.
13. K APITEL
I CH … EIN M ODELL ?
Tony verbrachte die nächste Woche mit seinen Marktforschern und Vertriebsleitern, und sie planten die Produktion und den Verkauf der Porträtpuppen bis in die Einzelheiten. Jeden Abend hatte er uns beim Essen etwas Neues und Aufregendes über das Projekt zu berichten. Mama brachte mehr Interesse dafür auf als für alles andere, was Tony tat. Ich fühlte mich von der Woge
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