Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
unbesorgt. Ich werde deiner Mutter nichts davon erzählen.«
»Es gibt nichts zu erzählen«, beharrte ich.
»Mädchen und Jungen küssen sich doch noch, oder nicht?« fragte er lachend. »Oder verstößt das gegen die heutigen Regeln? Oder laßt ihr das heute weg und geht gleich einen Schritt weiter?«
»Jungen küssen Mädchen noch«, bestätigte ich, wenn ich auch keineswegs aus Erfahrung sprach.
»Hast du je einen Zungenkuß bekommen?« Er saß auf dem Sofa und sah zu mir auf, als er gespannt meine Antwort erwartete. Ich hatte nicht gewußt, was Zungenküsse sind, bis ich in Winterhaven in den »Privatclub« aufgenommen worden war und Marie Johnson es genau beschrieben hatte.
»Nein«, sagte ich noch entschiedener.
»Aber du weißt, wie das geht, oder nicht?«
»Ja.«
»Aber du hast es noch nie getan. Wie wunderbar. Du bist wirklich so unschuldig, wie du aussiehst.«
Er lachte. »Küsse und die Liebe sind nicht schlimm, Leigh, wenn deine Mutter das auch glaubt.« Er wurde plötzlich wütend und starrte lange auf den Fußboden. Dann schwenkten diese blauen Augen zu mir herüber und waren plötzlich vollkommen ausdruckslos, als sähe er mich gar nicht. Ich fand es erschreckend, wie ausdruckslos und leer sein Blick werden konnte, als wüßte er, wie man Gefühle ein- und ausschaltete. Dann zwinkerte er heftig und nahm mich wieder wahr.
»Mir fällt immer wieder auf, daß du ein ganz besonderes junges Mädchen bist, Leigh. Deshalb dachte ich auch, daß du ein wunderbares Modell sein müßtest. Manchmal schauen deine Augen so wissend, so erwachsen. Ich wette, daß du anderen Mädchen in deinem Alter weit voraus bist.«
Ich zuckte mit den Achseln. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß es tatsächlich so war, und dann wieder, wenn die Mädchen ihre Erfahrungen austauschten, kam ich mir vor, als hätte ich in einer anderen Welt gelebt.
»Ich weiß, daß dir die Scheidung deiner Eltern ziemlich zugesetzt hat, und eine Zeitlang hast du mich gehaßt, stimmt’s? Du hast mir die Schuld daran gegeben. Du brauchst mir nicht darauf zu antworten. Ich verstehe das. Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, hätte ich es genauso empfunden. Ich hoffe, daß dir die Zeit, die wir gemeinsam mit Skilaufen und Reiten verbracht haben, Spaß gemacht und dir vielleicht dabei geholfen hat, mich weniger zu hassen«, sagte er traurig.
»Ich hasse dich nicht, Tony«, widersprach ich. Ich haßte ihn wirklich nicht, jetzt nicht, nicht mehr.
»Nein? Das freut mich. Ich möchte, daß wir Freunde werden, daß wir mehr als nur Freunde werden.«
Ich schwieg. Als er jetzt wieder zu mir aufblickte, stand ein ganz anderer Ausdruck in seinen Augen als der, mit dem er mich ansah, wenn er mich zeichnete. Dieser Blick drang tiefer vor und machte mich verlegen. Ich merkte, daß ich schon wieder errötete, und ich wandte eilig meinen Blick ab.
»So«, sagte er und schlug sich auf die Knie, »es ist an der Zeit, daß wir uns wieder an die Arbeit machen.«
Er stand auf und trat zu seiner Leinwand. Ich setzte mich wieder auf das Sofa.
Er brachte ein paar schnelle Striche auf die Leinwand.
»Und jetzt knöpfst du deine Bluse weit genug auf, um sie dir über die Schultern zu ziehen. Mach schon«, drängte er, als ich mich nicht rührte. »Es ist in Ordnung. Nur über die Schultern«, wiederholte er mit sanfter Stimme.
Ich hob meine Finger zum obersten Knopf und öffnete ihn.
»Gut. Mach weiter. Ja, schön«, redete er mir zu. »Und jetzt noch einen Knopf.« Ich tat es. »Und noch einen. So, und jetzt läßt du die Bluse sachte über deine Schultern gleiten. Ja, ja.«
Seine Augen wurden größer, und er sah mich jedesmal länger an, ehe er sich der Leinwand wieder zuwandte.
»Und noch einen Knopf«, forderte er und sah sich an, was er bisher gezeichnet hatte. Dann schaute er in meine Richtung und nickte. »Und jetzt ziehst du die Arme aus den Ärmeln und hältst die Bluse direkt über deinen… Brüsten fest«, sagte er.
Ich verstand, was er meinte, und jetzt wurde mir auch klar, was er über die Venus gesagt hatte, die aus dem Meer herausstieg, aber es kam mir seltsam vor, mich so langsam auszuziehen.
Ich zog meine Arme aus den Ärmeln und hielt die Bluse fest, damit sie nicht herunterfiel. Tony sah mich lange an und schüttelte dann den Kopf.
»Was ist?« fragte ich.
»Ich kriege deine Schultern nicht richtig hin… irgend etwas…« Er kam auf mich zu und stützte sein Kinn in die rechte Hand, als er auf mich heruntersah. Dann streckte
Weitere Kostenlose Bücher