Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
lächelte Mama an. Sie lehnte sich auf dem neuen Sessel zurück, einem mit Schnitzereien verzierten Stilmöbel, das sie erworben hatte. Mit den tropfenförmigen Diamantohrringen, dem zurückgekämmten Haar, dessen Sitz absolut perfekt war, und den Saphirringen an ihren Fingern sah sie aus wie eine Königin. Sie trug ein weißes Spitzenkleid mit einem tiefen Ausschnitt, und daher lag ihre kostbare Diamantkette vorwiegend auf der rosigen Schwellung ihrer Brüste.
»Tony hat eine wunderbare neue Idee«, verkündete sie.
Ich trat ins Zimmer.
»Erinnerst du dich noch, daß ich dir von dieser europäischen Firma erzählt habe, die Spielzeug herstellt, das vom Stil und von seiner Bestimmung her den Tatterton Toys ähnelt?« fragte er eilig. Ich nickte. »Tja, in Europa gibt es einige der besten Kunsthandwerker auf der ganzen Welt. Was sage ich da? Dort hat man wirklich die allerbesten Leute. Aber«, fügte er hinzu und zwinkerte erst mir zu und dann Mama, »einige von ihnen arbeiten jetzt für mich. Jedenfalls habe ich auf meinen Reisen eine ihrer Fabriken in einer kleinen Ortschaft außerhalb von Zürich aufgesucht und dort entdeckt, daß sie etwas herstellen, was sich ›Porträtpuppen‹ nennt.«
»Porträtpuppen?« Ich setzte mich auf das Sofa.
»Ja. Eine glänzende Idee!« rief er begeistert. »Niemand ist so sehr von sich bezaubert und in sich selbst verliebt wie die Reichen. Sie glauben, daß sie sich mit ihrem Geld und ihrem Rang Unsterblichkeit kaufen können, und daher lassen sie sich alle von den besten Malern porträtieren und von den besten Fotografen fotografieren. Sie scheuen vor keiner Mühe und keinen Kosten zurück, um diese Selbstdarstellung zu ihrer Zufriedenheit ausführen zu lassen.«
»Und was hat das mit Puppen zu tun?« fragte ich.
»Alles. Stell dir eine Puppe vor, die dein Gesicht hat und ganz allein dir gehört! Jeder wird eine haben wollen – Mütter, Töchter, Schwestern, Tanten; selbst Männer werden mit der Zeit kommen und sich Puppen anfertigen lassen, die ihr Ebenbild sind.
Und wir werden die ersten sein, die so etwas hier in Amerika anbieten, und somit wird eine Tatterton-Puppe etwas ganz Besonderes und Kostbares, ein höchst persönliches Sammlerstück sein. Einfach brillant!« rief er noch einmal aus, und diesmal schlug er sich mit den Fäusten auf die Knie.
Ich mußte zugeben, daß mir Tonys Begeisterung den Atem verschlug und daß die Idee ganz ausgezeichnet klang. Tony warf einen Blick auf Mama, und sein Lächeln wurde strahlender, und sie lächelte ihn an, ehe sie sich an mich wandte.
»Tony möchte dich als Modell für die allererste Puppe haben, und er möchte die Puppe selbst anfertigen«, erklärte Mama.
»Mich?« Ich sah von einem zum anderen. Auf Mamas Gesicht stand noch das zarte, zufriedene Lächeln. Tonys Augen waren jetzt schon mit der Intensität eines Künstlers auf mich gerichtet. »Warum denn mich?«
»Einmal«, begann Tony, »weil ich mit diesen Puppen zuerst junge Mädchen ansprechen möchte. Keine kleinen Mädchen«, fügte er schnell hinzu, »sondern junge Mädchen, Teenager. Sie stellen den weitaus größten Absatzmarkt für die Porträtpuppen dar, vermute ich. Kleine Mädchen sind noch nicht alt genug, um die handwerkliche Meisterschaft würdigen zu können, die in dieser Arbeit steckt, aber noch wichtiger ist, daß sie nicht so vernarrt in ihr eigenes Spiegelbild sind und sich auch nicht so viele Gedanken über ihr Aussehen machen wie ein Teenager.«
»Aber ich verstehe es immer noch nicht. Warum denn ausgerechnet ich?« fragte ich. Tony schüttelte den Kopf.
»Ist es nicht wunderbar, Jillian, daß sie so bescheiden ist?«
Mama sah mich an und blinzelte mir zu, als sähe sie darin eine gespielte Scheu.
»Tony hält dich für etwas ganz Besonderes, Leigh, und der Meinung bin ich auch«, sagte Mama.
»Du hast ohnehin schon ein Puppengesicht«, fügte Tony hinzu. Ich schüttelte den Kopf. »O doch, das hast du, Leigh. Halte an deiner Bescheidenheit fest, wenn du möchtest, aber warum sollte ich mich auf die Suche nach dem richtigen Mädchen machen, wenn hier unter meinem Dach das perfekte Mädchen lebt?
Ich werde den besten Fotografen der Stadt beauftragen, Aufnahmen von deinem Gesicht zu machen, viele Aufnahmen, bis wir uns für die beste entschieden haben, und dann werde ich dieses Bild neben der ersten Puppe aufstellen, die ebenfalls dein Gesicht tragen wird. Alle meine Kunden verstehen dann, was eine Porträtpuppe ist, und sie werden eine von
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