Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
entschieden Sorge aus… und Angst! Ich beobachtete, wie sie schwer schluckte, und sie brachte die nächsten Worte kaum heraus: »Was hat er dazu gesagt?«
Ich sah sie durchdringend an. »Er fand es einfach wunderbar. Was hätte er denn sonst dazu sagen sollen?«
Erleichterung breitete sich auf ihrem schönen Gesicht aus. Sie wußte, daß ich Daddy nicht die Wahrheit gesagt hatte. »Du bist für dein Alter eine sehr kluge und hochintelligente junge Dame, Leigh. Ich bin stolz auf dich. Ach so, ja, Tony und ich gehen zum Abendessen aus. Wir sind bei den Ambersons eingeladen. Du weißt doch, wer Mr. Amberson ist, nicht wahr?« Sie wartete meine Antwort nicht ab. »Er ist ein Multimillionär, der ganze Berge von Papiermühlen besitzt. Er hat Geld wie Heu und kann sich alles leisten, was sein Herz begehrt!«
War das alles, wofür sie sich interessierte? Geld? Besitztümer? Hatte ihre Liebe zum Luxus und zum Reichtum längst über ihre Liebe zu mir gesiegt? fragte ich mich von Tag zu Tag mehr.
»Übrigens«, fuhr sie fort, als sie aus dem Zimmer rauschte, »hat Tony mir aufgetragen, dir auszurichten, daß er dich morgen früh noch einmal kurz braucht, und dann hat er seine Arbeit beendet. Ist das nicht aufregend?«
Ehe ich etwas darauf antworten konnte, war sie fort. Wütend knallte ich die Tür zu. Troy sah mich aus verängstigten Augen an. Wie sehr ich mir gewünscht hätte, Mama anzuschreien! Wieder einmal hatte sie mir vorgeschrieben, was ich zu tun hatte, ohne auch nur die geringste Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen.
Das Netz, das Mama um mich gesponnen hatte, zog sich von Tag zu Tag dichter um mich. Wo würde all das enden? fragte ich mich furchtsam.
Am folgenden Morgen kam Tony nicht zum Frühstück. Mama erklärte, er sei sehr früh aufgestanden und habe sich bereits in dem Häuschen hinter dem Irrgarten an die Arbeit gemacht. Ich solle ihm folgen, sobald ich gefrühstückt hatte. Ich aß langsam, während sie mir von ihrem Abendessen bei den Amberson berichtete. Nach einer Weile hörte ich ihr nicht mehr zu, und ihre Stimme war nur noch ein Surren, das in meinen Gedanken unterging. Ich sah dieser letzten Sitzung mit Tony weit nervöser entgegen als jeder bisherigen Sitzung mit ihm. Vielleicht war das aber auch nur eine Folge all der aufwühlenden und schrecklichen Dinge, die mir zugestoßen waren.
Schließlich stand ich auf, ging in mein Schlafzimmer, kämmte mein Haar noch einmal und machte mich dann auf den Weg zu dem Häuschen. Es war ein strahlender Morgen. Vom Meer wehte nur eine laue Brise herüber, und die Wolken schienen an den strahlendblauen Himmel geklebt zu sein. Sogar die Vögel, die gewöhnlich geschäftig herumflogen und laut zwitscherten, waren fast verstummt. Die Stille und die Abgeschiedenheit des Irrgartens wirkte noch intensiver als sonst. Die Schatten waren dunkler, tiefer und länger, und der Duft der frisch geschnittenen Hecken drang beißend in meine Nasenflügel. Ich hatte jedoch nicht das Gefühl, mich durch tunnelartige Gänge zu bewegen, sondern kam mir vor, als versänke ich tiefer und immer tiefer in einer Welt der Geheimnisse. Aus irgendwelchen Gründen, die ich mir nicht erklären konnte, geriet ich in Panik und legte den Rest des Weges rennend zurück, bis ich vor dem Häuschen stand. Ich schnappte nach Luft. Dann kam ich mir albern vor und wischte mir mit dem Taschentuch das Gesicht ab, strich mein Haar zurück und betrat das kleine Häuschen.
Tony war über die Tonform gebeugt und hielt seine Hände darüber, als wolle er sie gerade packen und an sich pressen. Er blickte abrupt auf, als ich eintrat, und dann richtete er sich eilig auf.
»Ich konnte heute morgen nicht auf dich warten«, erklärte er. »Ich war so begierig, fertig zu werden. Setz dich einfach hin«, sagte er und wies auf das Sofa. »Das einzige, was ich heute morgen noch vorhabe, ist, dem Gesicht der Puppe den letzten Schliff zu geben. So«, meinte er, als ich mich gesetzt hatte und ihn ansah. »Du hast gestern also deinen Vater getroffen.« Er machte sich mit einem winzigen Werkzeug an die Arbeit.
»Ja.«
»Aber es ist nicht allzu gut gelaufen?« fragte er. Ich richtete schnell meinen Blick auf ihn. Er sah, daß ich mich fragte, woher er das wissen konnte. »Miles hat mir davon erzählt«, gestand er leise. »Ich habe aber nicht mit deiner Mutter darüber gesprochen.« Er zwinkerte mir zu. »Du offensichtlich auch nicht.«
»Ich wollte sie nicht aus der Fassung bringen.«
»Ja, aber was
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