Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
zugestandenermaßen nicht die geringste Ahnung hatte, wenn es um Mode oder Möbel ging. Er sagte, Mama sei eine Künstlerin und müsse sich daher mit Farben, Zusammenstellungen und Entwürfen weit besser auskennen, aber ich glaube, er war einfach froh, Kaufhäuser und Konfektionsgeschäfte nicht betreten zu müssen.
Als ich noch kleiner war, kam es gelegentlich vor, daß Daddy mir Modelle von seinen Dampfschiffen kaufte, aber Mama fand, das seien alberne Geschenke für ein kleines Mädchen – insbesondere das Schiff, das man auseinandernehmen konnte, um zu lernen, wie der Motor funktionierte. Aber ich war fasziniert davon und interessierte mich sehr dafür. Ich spielte ständig damit, nur dann nicht, wenn Mama in der Nähe war.
Die Geschenke waren beim Frühstück an einem Ende des Eßtischs aufgebaut, und so war es schon immer gewesen, an jedem einzelnen Geburtstag, an den ich mich erinnern konnte. Natürlich war ich früh aufgewacht, wegen des Traums. Ein Geburtstagsmorgen war für mich gewöhnlich wie ein Weihnachtsmorgen, aber an jenem Vormittag war ich von dem Alptraum noch ein wenig durcheinander und bemühte mich sehr, die ganze Gruselgeschichte zu vergessen.
Daddy hatte die Überraschung in zartrosafarbenes Papier einwickeln lassen, und darauf waren überall Geburtstagskerzen gedruckt, die in Dunkelblau die Worte A LLES G UTE ZUM G EBURTSTAG bildeten. Schon allein das Wissen, daß er es selbst für mich gekauft hatte, machte es zu dem bedeutsamsten aller Geschenke. Ich gab mir Mühe, das Papier beim Auspacken nicht einzureißen. Zu gern hob ich solche Dinge auf, Erinnerungen an alle besonderen Anlässe in meinem Leben: die Kerzen von dem Kuchen zu meinem zehnten Geburtstag, dem Kuchen, der so groß gewesen war, daß Clarence, der Butler, und Svenson, der Koch, ihn zu zweit ins Eßzimmer tragen mußten; den Zuckerengel auf dem einszwanzig hohen Weihnachtsbaum, den Mama gekauft hatte, um ihn in mein Spielzimmer stellen zu lassen, als ich erst fünf war; Eintrittskarten für den Zirkus, in den mich Daddy mitgenommen hatte, als er im letzten Jahr nach Boston kam; ein Programm von dem Marionettentheater im Museum, das Mama und ich uns angesehen hatten, als ich sieben war, und Dutzende von Kleinigkeiten wie Knöpfe, Nadeln und sogar alte Schnürsenkel. Daddy wußte, daß Erinnerungen mir kostbar waren.
Ich zog das Buch langsam aus dem Geschenkpapier und fuhr mit den Fingerspitzen über den Einband – über meinen Namen. Der butterweiche rosafarbene Einband mit den vergoldeten Kanten faßte sich zu schön an, und ganz besonders begeisterte es mich, meinen Namen gedruckt zu sehen, wie einen Buchtitel: L EIGHS B UCH .
Ich sah freudig auf. Daddy hatte bereits seinen dunkelgrauen Anzug mit Weste und Krawatte an, und er stand lächelnd da, so wie er üblicherweise dastand: Er hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wippte auf den Fersen wie ein alter Kapitän. Gewöhnlich brachte Mama ihn davon ab, denn sie behauptete, es machte sie nervös. Da Daddy der Besitzer einer großen Reederei für luxuriöse Ozeandampfer war und so oft an Bord des einen oder anderen Schiffes weilte, sagte er, er verbrächte mehr Zeit auf dem Wasser als auf dem Land, und daher sei er es gewohnt zu wippen.
»Was ist das?« fragte Mama, als ich den Einband aufschlug und eine leere Seite nach der anderen durchblätterte.
»Ich bezeichne es als Logbuch«, sagte Daddy und zwinkerte mir zu. »Das Logbuch eines Kapitäns, in dem man größere Ereignisse festhält. Erinnerungen sind kostbarer als Juwelen.«
»Das ist nichts weiter als ein Tagebuch«, meinte Mama kopfschüttelnd. »Logbuch, also so was. Sie ist ein kleines Mädchen und kein Seemann.«
Daddy zwinkerte mir wieder zu. Mama hatte mir so viele sehr kostspielige Dinge gekauft, daß ich ihnen mehr Beachtung hätte schenken sollen – das wußte ich, aber ich preßte das Buch, das den Titel L EIGHS B UCH trug, an mein Herz und sprang schnell auf, um Daddy zum Dank einen Kuß zu geben. Er kniete sich hin, und ich küßte ihn auf seine rosige Wange direkt über dem grauen Bart, und seine schimmernden rostbraunen Augen leuchteten. Mama behauptete, Daddy sei so oft auf einem seiner Schiffe oder auf dem Meer, daß seine Haut salzig schmecke, aber ich konnte das nie feststellen, wenn ich ihm einen Kuß gab.
»Danke, Daddy«, flüsterte ich. »Ich werde ganz viel über dich schreiben.«
Es gab so vieles aufzuschreiben, so viele intime und kostbare Gedanken, daß ich es kaum
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