Castello Christo
mir treffen. Kommen Sie mit?«
Matthias’ Gesicht verzog sich zum ersten Mal an diesem Tag zu einem leichten Lächeln.
»Gerne.«
Rom. Via Michele Pironti
25
Einen dicken Stapel Akten unter dem Arm, schloss Varotto eine Stunde später die Tür zu seiner Wohnung auf und bat seinen Gast herein.
Gegen 20 Uhr kam Alicia. Als sie gemeinsam mit Varotto das Wohnzimmer betrat, erhob sich Matthias von der schwarzen Ledercouch, auf der er es sich bequem gemacht hatte.
»Das ist Alicia Egostina, Reporterin beim ›Cortanero‹. Und zudem eine alte Freundin«, stellte der Commissario sie vor. »Und das ist Matthias.« Als er den Blick bemerkte, mit dem sie den Deutschen mit den langen hellblonden Haaren ansah, fügte er hinzu: »Er lebt in einem Kloster auf Sizilien und unterstützt uns mit seinem theologischen Wissen.«
»Ich lebe zwar in einem Kloster, aber ich bin kein Mönch«, sagte Matthias lächelnd und streckte ihr die Hand entgegen. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Signorina Egostina.« Er fragte sich selbst, warum er betont hatte, kein Mönch zu sein, ahnte es aber im selben Moment, in dem die schönen Augen der Frau ihn anstrahlten.
»Die Freude ist ganz meinerseits«, antwortete Alicia mit einem vielsagenden Blick und setzte sich in den Sessel, der im rechten Winkel zur Couch stand, so dass sie fast nebeneinandersaßen. Mit einer koketten Bewegung strich sie sich die Haare aus dem Gesicht.
Brüsk drehte sich Varotto um und ging in die Küche.
Alicia musterte Matthias unverhohlen. »Hm, Sizilien . . .«, sagte sie. »Hat der Vatikan Sie herbeordert? Sind Sie Kriminalist mit theologischem Studium? Haben Sie schon ähnliche Fälle aufgeklärt?«
Nun lächelte er zum zweiten Mal. »Nein, wo denken Siehin, nicht die Kirche hat mich herbeordert, sondern die Polizei hat mich zur Unterstützung angefordert. Ich bin auch kein Kriminalist, und um Ihre dritte Frage zu beantworten: Ich habe noch nie irgendwelche Fälle aufgeklärt; es ist das erste Mal, dass die Polizei mich als Berater braucht.«
Varotto kam aus der Küche zurück, ein Glas Wasser in der Hand, in dem zwei Eiswürfel schwammen.
»Ich nehme an, du trinkst noch immer am liebsten Eiswasser?«, fragte er, während er das Glas vor der Reporterin abstellte. Dann setzte er sich neben Matthias und klatschte in die Hände. »Lasst uns gleich zur Sache kommen. Alicia, du hast wahrscheinlich schon gehört, was wir heute Mittag gefunden haben.« Mit bedrückter Miene nickte sie, und er fuhr fort: »Unsere Bilanz sieht im Moment sehr düster aus: acht Tote in sechs Tagen. Und sechs Stationen des Kreuzweges. Die Opfer in der ›Rolle‹ Jesu sind alle Mitte zwanzig und haben im Nacken eine Tätowierung, die schon gestochen wurde, als sie noch Kinder waren. Einer dieser Männer wurde als kleiner Junge entführt und ist erst am Tag seiner Ermordung wiederaufgetaucht. Außerdem haben wir zwei Bibelverse, die einem Prälaten des Vatikans übergeben wurden. Natürlich ohne verwertbare Fingerabdrücke. Und es gab eine anonyme Botschaft, mit der ich persönlich auf den heutigen Kreuzwegmord hingewiesen wurde. Das ist alles. Alicia, hast du etwas in Erfahrung gebracht, das uns irgendwie weiterhelfen könnte?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid. Für alle, mit denen ich mich unterhalten habe, ist die Sache ein ebenso großes Rätsel wie für dich. Manche denken, es handelt sich um die Taten einen Geistesgestörten, andere wiederum glauben, eine dieser Endzeitsekten steckt dahinter. MeineKollegen werden die Sache morgen wieder auf der Titelseite bringen. Als ich vorhin gegangen bin, hat sich der Chefredakteur gerade den Aufmacher zeigen lassen. Und den Leitartikel schreibt er heute selbst. Ich fürchte, der wird dir nicht gefallen.«
Varotto nickte. »Das war nicht anders zu erwarten. In den anderen Blättern wurde heute schon hämisch nach Ergebnissen gefragt. Die Mordserie ist einfach zu spektakulär, als dass sich eine Zeitung das entgehen lassen würde.«
Matthias hob jetzt die Schultern. »Wie Sie schon sagten, Commissario, wir sind noch keinen Schritt weitergekommen. Es ist einfach alles so perfekt geplant, dass wir kaum hoffen können, den Tätern schnell auf die Spur zu kommen. Was halten Sie deshalb davon, wenn wir uns auf das Ziel des Ganzen konzentrieren?« Sowohl die Reporterin als auch Varotto sahen ihn fragend an. »Heute hat man die sechste Station des Kreuzweges in Szene gesetzt. Es gibt insgesamt vierzehn, wobei die letzten beiden
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