Castello Christo
exkommunizieren, wenn er davon erfährt.«
Niccolò ergreift das Glas, setzt es an die Lippen und trinkt es aus. Massimo hebt die Schultern. »Das ist nicht sicher. Was du getan hast, ist eine schlimme Sünde, aber ebenso gut kann es sein, dass dir vergeben wird. Eins aber ist sicher: Wenn du es ihm nicht sagst, hast du nicht nur das Zölibat gebrochen, sondern lebst dauerhaft in Sünde und mit der Lüge, denn das Kind wird heranwachsen und du wirst immer wieder in Situationen kommen, in denen du nicht die Wahrheit sagen kannst. Möchtest du das wirklich, Nico?«
Die Augen des Älteren füllen sich mit Tränen, er beginnt zu schluchzen. Mit einer schnellen Bewegung legt er den Arm auf die Tischplatte und verbirgt sein Gesicht darin.
Massimo wartet geduldig, bis das Schluchzen leiser wird.
»Liebst du das Mädchen?« , fragt er dann.
Langsam hebt Niccolò den Kopf und schaut ihn verständnislos an. »Wie kannst du das fragen, Massimo? Glaubst du, ich würde das Gelübde brechen, das ich vor Gott abgelegt habe, wenn ich das Mädchen nicht liebe?«
Massimo nickt. »Dann bleibt nur eins: Du musst aus dem Dienst der Kirche austreten und sie heiraten.«
Niccolò schüttelt energisch den Kopf. »Nein, das kommt nicht in Frage. Mein ganzes Leben lang wollte ich Priester sein!« Er schüttelt mehrmals heftig den Kopf. »Nein, Massimo, es muss auch anders gehen. Ich habe einen Freund, einen ehemaligen Kommilitonen, dessen Eltern haben auf
Sizilien einen Bauernhof, sehr einsam gelegen, weit weg vom nächsten Dorf. Ich war einmal für ein paar Tage mit ihm dort. Ich werde sie dort hinbringen. Sie kann mein Kind zur Welt bringen und
. .
. «
»Nico« , unterbricht ihn Massimo mit sanfter Stimme. »Nico, du hast mir noch nicht einmal gesagt, wie das Mädchen heißt, das dir so viel bedeutet. Warum nicht? Hätte das nicht das Erste sein sollen, das du mir erzählen willst? Ihren Namen?«
»Was redest du? Ich habe es eben vergessen, weil ich durcheinander bin.«
In dem Blick, mit dem Massimo seinen Freund betrachtet, liegt ebenso viel Nachsichtigkeit wie zuvor in seinen Worten.
»Bist du sicher? Oder ist es vielleicht so, dass es gar nicht so sehr das Mädchen ist, auf das es dir ankommt, sondern vielmehr dein Kind?«
Niccolò möchte aufbrausen, hat schon Luft geholt, und
...
bläst sie wieder aus, als er Massimos Blick sieht. Wieder füllen sich seine Augen mit Tränen. Dieses Mal jedoch legt er den Kopf nicht in die Armbeuge, sondern sieht Massimo unverwandt an.
»Ich denke so oft an Lucia, deine,
unsere
kleine Schwester, die in meinen Armen gestorben ist. Zwei Jahre war sie, gerade mal zwei Jahre jünger als du damals, fast noch ein Baby. Sie hat so fürchterliche Bauchkrämpfe gehabt. Weinend hat sie sich an mich geklammert, weil sie dachte, ich könnte ihr helfen. Aber ich war doch selbst erst sieben, Massimo. Was hätte ich denn tun sollen? Ich war mit euch Kleinen allein zu Hause, deine älteste Schwester Maria war mit euren Eltern auf dem Feld. Lucia starb qualvoll in meinen Armen, erinnerst du dich? Ich werde ihren Blick niemals vergessen, den Blick, bevor sie die Augen geschlossen hat.«
Es bricht Massimo fast das Herz, ihn so verzweifelt zu sehen. Am liebsten würde er ihn jetzt umarmen, doch er weiß, dass Nico das niemals zulassen würde. Nie wieder hatte ihn jemand aus der Familie in den Arm nehmen dürfen seit damals.
»Sie hat so sehr geweint, Massimo. Sie dachte, ich könnte ihr helfen« , flüsterte er noch einmal unter Tränen.
Massimo nickt. »Aber du konntest doch nichts dafür, Nico. Wenn überhaupt jemanden die Schuld traf, dann noch eher meine Eltern, weil sie dich mit uns Kleinen alleine zu Hause gelassen haben. Es geht darum, dass du, ein katholischer Priester, ein Kind gezeugt hast, aus welchen Gründen auch immer. Und dass es keinen anderen Weg für dich geben kann, als dich dem Bischof anzuvertrauen und auf seine Gnade zu hoffen.«
Niccolò springt mit einem Satz auf. So heftig, dass der Stuhl laut polternd umkippt. »Hast du mir nicht zugehört? Hast du nicht verstanden, dass ich das Kind in meinen Armen wissen muss? Für deine Schwester Lucia? Der Bischof würde mir im günstigsten Fall nur verbieten, das Kind und seine Mutter zu sehen. Das geht nicht, Massimo. Es ist mein Kind.«
Als Massimo ihn mit gequältem Blick ansieht, wendet er sich zum Gehen und schlägt die Tür hinter sich zu.
»An diesem Abend gingen wir zum ersten Mal in unserem Leben im Zorn auseinander.«
Mit
Weitere Kostenlose Bücher