Castello Christo
Bertoni zu sagen und blickte auf seine Finger, die er nun vor sich auf der Tischplatte gefaltet hatte. »Ich weiß selbst nicht, warum ich dachte, er wüsste es.« Er schüttelte den Kopf. »Da habe ich mich wohl geirrt, mein Gedächtnis ist nicht mehr das allerbeste, wissen Sie, da bringe ich die Dinge schon einmal durcheinander. Zumal diese fürchterlichen Morde uns allen im Moment große Sorgen bereiten.«
Matthias nickte zögerlich und nicht wirklich überzeugt.
»Wie dem auch sei, Monsignore, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir alles über Niccolò Gatto erzählen würden, was Sie wissen.«
»Warum interessieren Sie sich für ihn?«, fragte Bertoni zaghaft.
»Sagen wir so: Ich halte es für gut möglich, dass er uns bei diesen furchtbaren Morden weiterhelfen kann.«
Der alte Mann zog den Kopf ein wenig ein. »Glauben Sie, dass Niccolò etwas damit zu tun haben könnte? Ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, aber nachdem sein Sohn ermordet worden ist ... Nein, ich muss vorher anfangen, sonst verstehen Sie mich nicht.«
Er ließ sich gegen die gepolsterte Rückenlehne sinken und schloss kurz die Augen, so als müsste er in seinen Erinnerungen suchen.
»Als man Niccolò damals vom Kirchendienst suspendierte, brach für ihn eine Welt zusammen. Ich habe keinen Menschen gekannt, der so gläubig war wie er. Erst konzentrierte sich seine ganze Wut hauptsächlich auf die Institution Kirche, und natürlich auf seinen einzigen wahren Freund – unseren heutigen Papst. So sehr er ihn vorher geschätzt hatte, so groß wurde nach dieser Sache seine Abneigung. Gehasst hat er ihn damals noch nicht – das kamerst später. Aber er fühlte sich von ihm und der Kirche verraten. Als dann aber Lucia bei Paolos Geburt starb . . .«
»Lucia?«, unterbrach Matthias ihn. »Sagten Sie gerade Lucia?«
»Ja, so hieß sie«, erklärte Bertoni.
»Hieß so nicht auch die kleine Schwester des Papstes? Die an einem Blinddarmdurchbruch gestorben ist?«
Bertoni nickte. »Ja, Sie sind gut informiert. Halten Sie es für unhöflich, wenn ich frage, woher Sie das alles wissen?«
Matthias dachte daran, dass Kardinal Voigt ihn mehrfach ermahnt hatte, kein Wort davon weiterzuerzählen, was der Papst ihm anvertraut hatte. Andererseits – Bertoni kannte die Fakten offensichtlich ohnehin alle. Und der Kardinal hatte ihm schließlich Bertoni genannt.
»Ich weiß es vom Heiligen Vater, der sich Sorgen um Niccolò Gatto macht«, antwortete er, und Bertoni nickte, als hätte er genau diese Antwort erwartet.
»Nach Lucias Tod wurde Niccolòs Wut auf die Kirche und Massimo Ferdone immer größer. Ihnen gab er die Schuld am Tod seiner Frau, denn er war überzeugt, wenn er nicht suspendiert worden wäre, hätte Lucia das Kind unter anderen Umständen bekommen und wäre nicht gestorben. Ich habe ihn zu dieser Zeit noch regelmäßig gesehen. Niccolò hatte mir das Versprechen abgenommen, niemandem, ganz besonders nicht Massimo Ferdone, zu verraten, wo er lebte. Es tat mir sehr leid, zu sehen, wie sehr er litt, und nichts davon sagen zu dürfen. Bei einem meiner Besuche, etwa zwei Jahre nach Lucias Tod, hatte ich wieder einmal versucht, ihm klarzumachen, dass Gottes Wege für uns Menschen nicht immer nachvollziehbar, aber stets Ausdruck seiner Liebe sind. Bis dahin hatte sich seine Wut ausschließlich gegen die Kirche und Massimo Ferdone gerichtet. Nun aber begann er, gegen Gott selbstzu lästern. Ich bat ihn, in meiner Gegenwart davon abzusehen. Er aber hat nur gelacht und mir gesagt, ich könne ja gehen. Er habe Männer kennengelernt, die ihn nicht nur verständen, sondern von denen er noch viel lernen könne. Als ich nachfragte, wich er mir jedoch aus und sagte nur etwas von einer Gemeinschaft, deren Mitglieder lange vor ihm die Verlogenheit der Kirche und das wahre Gesicht Gottes erkannt hätten. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe.«
»Was waren das für Männer, Monsignore? Haben Sie später noch mehr über sie erfahren?«
»Wir haben noch einige Male miteinander telefoniert, aber unser Verhältnis wurde immer schwieriger. Mit jedem zweiten Satz griff er die Kirche an und hielt mir vor, ich sei ein Narr, dass ich mich so blenden ließe.«
»Und das haben Sie einfach so geschluckt?«, unterbrach Matthias ihn staunend.
Einen Moment lang schien Bertoni verwirrt zu sein, zuckte dann aber die Schultern. »Eines der wichtigsten Elemente des Glaubens ist die Liebe. Gottes Liebe zu uns Menschen, aber auch die Liebe
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