Castello Christo
ihm oder Barberi nicht von unseren neuesten Erkenntnissen?«
Matthias hätte sich für die Unachtsamkeit ohrfeigen können. »Weil ich nicht weiß, ob ich im Polizeipräsidium wirklich von meiner Vermutung bezüglich des Motivs erzählen kann. Nichts gegen Ihren Chef, Commissario, aber die Tatsache, dass er Sie auf Anweisung von oben sofort beurlaubt hat, lässt mich vermuten, dass er seine Vorgesetzten schnellstens davon in Kenntnis setzen würde. Und wiewir gesehen haben, fühlen die sich von der Presse so unter Druck gesetzt, dass sie sicher gleich eine Pressekonferenz einberufen. Was würde geschehen, wenn die Öffentlichkeit erfährt, dass wir vermuten, jemand hätte vor über zwanzig Jahren Gottes Sohn entführt, um sich nach so langer Zeit an der Kirche oder an Gott zu rächen, indem er ihn tötet? Können Sie sich vorstellen, was man daraus machen würde? Nein, diese Überlegungen dürfen auf keinen Fall an die Öffentlichkeit dringen, solange wir keine eindeutigen Beweise dafür haben.«
»Aber wie soll es nun weitergehen?«, fragte Alicia.
»Ich werde auf jeden Fall an der Sache dranbleiben«, antwortete Varotto entschlosssen und sah Matthias an. »Ich hatte gehofft, Sie würden zu mir stehen.«
»Das würde ich gerne tun, Commissario, aber Kardinal Voigt wird wahrscheinlich darauf bestehen, dass ich die offiziellen Stellen, also Ihren Chef Barberi und Ihren Kollegen Tissone, unterstütze.«
Man hörte seiner Stimme deutlich an, dass Matthias alles andere als wohl war bei dem Gedanken.
»Ich muss Ihnen noch etwas sagen, das Kardinal Voigt betrifft und Ihre Haltung vielleicht beeinflusst«, warf Alicia ein. Matthias sah sie überrascht an. »Ich war auf dem Rückweg von der Questura noch kurz in der Redaktion und habe Azzani, den Chefredakteur, zu seinem hetzerischen Leitartikel über Daniele befragt. Die Sache ist wirklich sonderbar. Der Zeitungsverleger des ›Cortanero‹, Signore Manieri, habe einen Anruf von einer sehr einflussreichen Person bekommen, die es beklagt habe, dass die Polizei in Bezug auf diese Kreuzwegmorde noch keinen Schritt weitergekommen sei und dass der ›Cortanero‹ offenbar nicht in der Lage sei, der Polizei Druck zu machen. Der Anrufer habe ihm unmissverständlich klargemacht,dass künftig alle wichtigen Informationsquellen für unsere Zeitung versiegen würden, wenn nicht sofort ein Artikel erscheint, der dafür sorgt, dass Daniele abgelöst wird. Ich habe natürlich gefragt, wer dieser Anrufer war, aber das hat Manieri auch meinem Chef nicht gesagt. Er hat wohl nur erwähnt, dass es ein sehr einflussreicher Mann war, der tatsächlich in der Lage wäre, die Zeitung in den Ruin zu treiben. Zum Schluss sagte Manieri aber einen Satz, den mein Chef als deutlichen Hinweis darauf sieht, aus welchen Kreisen der Anrufer kam. Er sagte: ›Es ist schon verwunderlich, was im Namen unseres Herrn alles geschieht.‹«
»Ich hätte es mir denken können!«, brauste Varotto auf und fuhr aus seinem Sessel hoch. »Was zum Teufel geht es den Vatikan an, wer den Fall leitet?! Das ist einzig und allein Sache der italienischen Polizei.« Mit zwei großen Schritten war er beim Telefon. »Ich rufe Barberi an. Wenn der hört, wie der Artikel zustande gekommen ist, wird er mir die Ermittlungen sofort wieder übertragen. Das wäre doch . . .«
»Daniele, lass es sein.«
Varottos Kopf fuhr herum. »Den Teufel werde ich tun, Alicia. Barberi soll wissen, dass die Pfaffen dahinterstecken.«
»Und dann? Was, denkst du, wird das ändern? Dein Chef hat dich beurlaubt, weil man ihn von ganz oben dazu gedrängt hat. Und warum hat man das getan? Weil Politiker grundsätzlich Angst vor einer öffentlichen Meinung haben, die ihnen bei der nächsten Wahl schaden könnte. Diese Tatsache ändert sich nicht, ganz egal, wer diesen Artikel veranlasst hat. Lass es, Daniele, es hat keinen Zweck.«
Während Varotto langsam die Hand mit dem Telefonhörersinken ließ, sagte Matthias: »Nehmen wir an, der Anrufer war wirklich jemand aus dem Vatikan: Wer hat dort so viel Macht, dass er dem ›Cortanero‹ die Schlinge um den Hals legen kann?«
»Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte«, antwortete die Journalistin. »Manieri hat keinen Namen genannt, aber es gibt nur ganz wenige Männer im Vatikan, die über so viel Einfluss verfügen. Einer davon ist Kardinal Voigt. Wenn es mir auch persönlich sehr schwerfällt, das zu glauben.«
»Egal, wer aus diesem Verein angerufen hat«, funkte Varotto dazwischen. »Dass der
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