Castello Di Felici - Schloss Des Gluecks
den Kopf und betrachtete das Castello. Imposant und unbezwinglich saß es auf der felsigen Kuppe des Hügels, von wo es seit vielen Jahrhunderten über die kleine Stadt und ihre Menschen wachte. Wie ein Drache über seinen Schatz, ging es ihr durch den Sinn. Die meterdicken Wälle mit ihren Zinnen und der Zugbrücke hatten ehemals ein Kloster beherbergt, das im vierzehnten Jahrhundert zum Stammsitz des Di-Marco-Geschlechts wurde. Seitdem prangte das Familienwappen stolz über dem Eingangstor.
„Wie schön alles ist“, hatte sie entzückt ausgerufen, als sie zum ersten Mal davor gestanden hatte. „Schön und überwältigend.“
Worauf Leo sie lachend auf die Arme gehoben und über den Innenhof in die weite Eingangshalle getragen hatte. „Aber bei Weitem nicht so schön und überwältigend wie du, amore mio .“
Bethany verdrängte die deprimierende Erinnerung, öffnete die Beifahrertür und nahm den Koffer vom Sitz. Sie hatte sich absichtlich für eine bescheidene Pension entschieden. Die Möglichkeit, dass man sie hier erkannte, war so gut wie ausgeschlossen. Und vor Leo dürfte sie ebenfalls sicher sein.
Höchstens zwei Wochen, hatte er gesagt, als sie gefragt hatte, wann sie mit dem Scheidungsurteil rechnen konnten. Bis dahin wollte sie jeden überflüssigen Kontakt mit ihm meiden.
Nach einem letzten Blick auf das Schloss betrat sie die Pension.
„Mi scusi, signorina …“ Der Angestellte am Empfang senkte den Blick. „Das Zimmer, es ist noch nicht … come si dice … fertig?“
Sie wusste, dass er log. Sowie sie auf seine Frage nach ihrem Namen ‚Bethany Vassal‘ erwidert hatte, war sein freundliches Lächeln verschwunden.
Krampfhaft umschloss sie den Koffergriff. „Sind Sie sicher, signore ? Das Zimmer war für drei Uhr reserviert, und jetzt ist es bereits nach fünf.“
„Wenn Sie sich bitte einen Moment gedulden wollen.“ Verlegen lächelnd deutete er auf die Sitzecke am anderen Ende der kleinen Lobby.
Wortlos wandte sie sich ab und ging zu dem Plüschsofa hinüber. Als sie sich hinsetzte, sah sie, wie er zum Telefon griff. Sie konnte sich denken, mit wem er telefonierte.
Wie nicht anders erwartet, betraten zehn Minuten später zwei Männer in dunklen Anzügen die Pension und kamen auf sie zu.
„Principessa …“ Der größere von ihnen verneigte sich höflich. „Per favore?“
Was konnte sie schon tun? Sie war in Felici, hier bestimmte nur einer – Leo di Marco. Warum hatte sie nicht daran gedacht, dass er jeden ihrer Schritte überwachen lassen würde? Er war ein Diktator, nicht nur, weil man ihn dazu erzogen hatte, sondern weil es seinem Wesen entsprach. Was andere wollten – was sie wollte –, spielte keine Rolle.
Ohne den Angestellten eines Blickes zu würdigen, stand sie auf und verließ hoch erhobenen Hauptes die Lobby, gefolgt von Leos Bodyguards. Ohne ein Wort stieg sie in die schwarze Limousine, die vor der Pension wartete.
Alles war so, wie Bethany es in Erinnerung hatte.
Tiefe Stille umgab sie, als sie die imposante Halle betrat. Das Schloss war nur an bestimmten Wochentagen für Besucher geöffnet – und ab und zu bei besonderen Anlässen. Heute sah es menschenleer aus, doch das schien nur so. Eine Armee von Dienstboten war Tag und Nacht am Werk, man sah sie nur nicht.
Bethany kam es vor, als würde sie von einer geheimen Kraft in jene Zeit zurückversetzt, als sie sich so unglücklich und so schrecklich einsam gefühlt hatte. Das Schlimmste war, dass sie sich dessen zuerst gar nicht bewusst gewesen war. Im Gegenteil, sie hatte fest geglaubt, dass sie mit Leos Hilfe den Tod ihres Vaters verwinden und nie wieder allein sein würde.
All das ging ihr jetzt durch den Sinn. Sie sah weder die alten Gobelins in der Eingangshalle noch die kostbaren Teppiche, das antike Mobiliar und die zahlreichen Kunstgegenstände in den Prunksälen, durch die die beiden Bodyguards sie in den Privatflügel des Schlosses zu den Räumen begleiteten, die sie in ihrem anderen Leben bewohnt hatte – die Suite, die seit Generationen der Gemahlin des jeweiligen Prinzen vorbehalten war. Am Ende des langen Korridors blieben sie vor der ihr vertrauten Tür stehen und ließen sie eintreten. Sie trugen den Koffer ins Schlafzimmer, verneigten sich stumm und verschwanden. Die Tür fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss. Bethany war allein – zurück in ihrem goldenen Käfig, als hätte sie ihn nie verlassen.
Einen Moment lang schloss sie die Augen, dann atmete sie tief durch und
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