Castello Di Felici - Schloss Des Gluecks
Stimmbänder waren rau vom vielen Weinen, die Augen rot und die Lider geschwollen. „Wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann“, fügte sie hinzu.
„Was auch immer.“ Er schwieg. „Von mir wird behauptet, dass ich der vollkommene Prinz bin“, fuhr er sarkastisch fort, und sie wusste, der Spott richtete sich diesmal gegen ihn und nicht gegen andere. „Nach all den Jahren strenger Erziehung und meiner eigenen Bemühungen sollte man annehmen, dass an der Behauptung etwas Wahres ist. Aber als Mann habe ich versagt.“
„Ich liebe dich“, sagte sie leise. „Ich habe dich immer geliebt.“ Warum sollte sie es verschweigen? Es war die Wahrheit, und die Angst, sich ihm durch dieses Geständnis auszuliefern, existierte nicht mehr. Ein Meer von Tränen hatte sie weggespült. Sie liebte ihn, alles Übrige zählte nicht.
„Das heißt nicht, dass es einfach ist oder stets schmerzlos war. Aber ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.“
„Ich weiß.“ Ein Schatten seines arroganten Lächelns spielte um den sinnlichen Mund, doch sein Blick verriet, was er für sie fühlte. „Aber ich dachte, dass es nichts mehr zu bedeuten hat.“
„Du täuschst dich. Was ich für dich fühle, ist heute genauso wichtig wie damals. Vielleicht noch wichtiger.“
Mit der Fingerspitze zog er die Konturen der samtweichen Lippen nach. Bethany verspürte die alte Glut in ihrem Inneren, und ein Zittern durchlief sie. Leo zog den Finger zurück.
Schweigend sahen sie sich an. Sie saß noch auf seinem Schoß, und er hatte einen Arm noch immer um sie gelegt. Nicht besitzergreifend, wie es sonst seine Art war, sondern locker, fast abwartend.
Ungewiss über das Ausmaß ihrer Gefühle und die Bedeutung der Ereignisse dieser letzten Stunde, wusste Bethany, dass sie diesen Mann nicht aufgeben konnte. Wenn sie das tat, würde sie damit auch sich selbst aufgeben.
Und noch etwas wusste sie: Die mysteriöse Verknüpfung, die zwischen ihm und ihr bestand, wurde mit jeder Minute, jeder Sekunde stärker. Bethany spürte, wie sich der Ring, der Faden, die Kette, was immer es auch sein mochte, enger und enger um sie beide schloss. Das zu brechen, wurde mit jedem Moment schwieriger.
Vielleicht sollte es von Anfang an so sein …
Sie wollte, dass er ihr alles war – Märchenprinz, Vater, Ehemann, Liebhaber –, während Leo für sie nur ein Mann wie jeder andere sein wollte. Sie hatte Sicherheit gesucht, aber wenn man einen Menschen so ausschließlich liebte wie sie ihn, war man niemals hundert Prozent sicher. Als sie sich begegnet waren, war sie ein junges unerfahrenes Mädchen gewesen, in vielen Dingen noch ein halbes Kind. Erst er hatte sie wirklich zur Frau gemacht und Leidenschaften in ihr geweckt, die sie weder gekannt hatte noch wahrhaben wollte. Jahrelang hatte sie sich selbst verleugnet, mit sich und mit ihm gekämpft, weil sie fürchtete, Bethany Vassal könnte sich in dem Mann, den sie so unendlich liebte, auf immer verlieren. Seine Person, seine Persönlichkeit waren so überwältigend, dass sie ihre kühnsten Träume in den Schatten gestellt hatten. War es ein Wunder, dass sie ihn zum Übermenschen gemacht hatte?
Aber der Leo, auf dessen Schoß sie jetzt saß, war kein Übermensch. Das war er nur in ihrer Fantasie gewesen. Er war ein Mann aus Fleisch und Blut. Er war verletzlich wie jeder andere. Dass sie ihm ebenso wehtun konnte wie er ihr, machte sie weder glücklich noch stolz, aber es ließ ihre Beziehung in einem realistischeren Licht erscheinen.
Wieder einmal hatten sie einen Wendepunkt erreicht. Denn wenn er nicht derjenige war, den sie in ihm sah, konnte sie sich nur in ihm verlieren, wenn sie das wollte, wenn sie sich wissentlich selbst aufgab.
Sie war keine Marionette, und vielleicht war sie das in seinen Augen auch niemals gewesen. Sie war eine Frau mit einem eigenen Willen. Leos Frau. Seine Lebensgefährtin.
Die Erkenntnis war atemberaubend.
„Was deine Abreise betrifft, Bethany …“ Er verstummte. Der Klang seiner Stimme brachte sie ins Hier und Jetzt zurück. Sie blinzelte ein paarmal, bevor sie seinen Blick erwiderte.
„Du solltest nicht allzu lange warten, wenn du dich dazu entschlossen hast“, fuhr er langsam fort, als müsse er sich zu jedem Wort zwingen. „Ich bin auch nur ein Mann – und nicht der standhafteste, wenn es um dich geht.“
Schweigend sah sie ihn an. Die Entscheidung lag bei ihr. Sie musste wählen, zwischen ihm und einer Zukunft ohne ihn. Aber war es überhaupt noch eine Wahl?
Drei
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