Castillo der Versuchung
beruhigende Worte ins Ohr flüsterte.
„Ich hatte ja keine Ahnung, dass das Kind so an dir hängt“, bemerkte Antonio dann nur.
„Ich kümmere mich schon um Lydia, seitdem sie auf der Welt ist. Am Anfang war Belinda krank … ja, und dann … Dann gab es andere Gründe, warum sie nicht so viel Zeit mit ihrer Tochter verbringen konnte, wie sie es gern getan hätte.“
„Welche Gründe?“
„Belinda hat einen Mann kennengelernt, der nichts von Kindern wissen wollte. Als sie mit ihm zusammengezogen ist, blieb Lydia bei mir.“
„Hier, in dem Wohnwagen?“, fragte Antonio ungläubig.
„Nein, nein, so gut haben wir es nicht“, antwortete Sophie mit einem verlegenen Lachen. „Das hier ist eine Luxusunterkunft. Mein Wohnwagen ist mindestens zwanzig Jahre älter und hat nicht so viele Extras.“
Antonio sah sich in dem für seine Begriffe winzigen Raum um. Extras? Was für Extras? Die Ausstattung war grauenhaft und so schrill, dass sie seine Augen beleidigte. Das war also Sophies Auffassung von Luxus? Aber er schluckte die Bemerkung hinunter, die ihm auf der Zunge lag.
„Wieso bist du dann hier, wenn du hier nicht wohnst?“
„Ich mache den Wagen sauber für die Feriengäste, die morgen kommen.“
„Du bist hier als Putzfrau beschäftigt?“ Ungläubig starrte Antonio sie an, und Sophie drückte Lydia nur noch fester an sich.
„Hast du ein Problem damit?“
Er biss die Zähne zusammen. Insgeheim hatte er gehofft, Sophie hätte nur einen Scherz gemacht. „Natürlich nicht. Hat mein Bruder auch von dir Geld genommen?“
„Nein, nein, ich hatte nie so viel, dass ich etwas hätte verleihen können“, antwortete Sophie. Erst als Antonio sie überrascht ansah, begriff sie, dass er gar nicht nachvollziehen konnte, was sie da von sich gab. So musste sie ihm wohl oder übel die Wahrheit sagen. „Wir haben da so eine Art Familiengeheimnis. Belinda wollte nicht, dass ich darüber rede. Sie und ich haben unterschiedliche Väter und sind uns erst vor sechs Jahren begegnet.“
„Jede Familie hat so ihre Geheimnisse“, sagte Antonio und war erleichtert, weil er sich die Unterschiede zwischen Belinda und Sophie nun wenigstens erklären konnte. „Aber von jetzt an wollen wir ganz offen zueinander sein.“
„Ich wollte dich nicht belügen, das war …“ Lydia, die Sophies Anspannung spürte, hob den Kopf und begann leise zu weinen.
„Ich will mich nicht mit dir streiten. Nach allem, was du durchgemacht hast, ist es nur verständlich, dass du gestresst bist.“
„Ich habe nichts durchgemacht“, versicherte Sophie ihm. „Ich liebe Lydia und kümmere mich gern um sie. Dass du jetzt auch für sie verantwortlich bist und ich nicht weiß, was passieren wird, macht mir viel mehr zu schaffen.“
Antonio fühlte den Blick zweier Augenpaare auf sich gerichtet, eines braun, eines grün, und beide sahen ängstlich drein. Zum ersten Mal in seinem Leben kam er sich wie der böse Wolf im Märchen vor. Gleichzeitig verletzte es seinen Stolz, dass man ihn in diesem Licht sah. So beschloss er, auf diplomatische Manöver zu verzichten und klipp und klar zu sagen, was er wollte.
„Warum musst du Angst haben, jetzt wo ich da bin? Willst du mich beleidigen?“
„Nein, nein, um Himmels willen!“, rief Sophie verzweifelt, weil er sie schon wieder falsch verstanden hatte.
„Dass ich mich jetzt hier einmische, kann für meine Nichte nur von Vorteil sein, denn im Augenblick lebt sie in erschreckender Armut. Du hast das Beste im Rahmen deiner Möglichkeiten getan, und ich weiß deinen Einsatz zu würdigen“, betonte Antonio höflich. „Aber für Lydia ist es wohl besser, wenn ich sie mit nach Spanien nehme und dafür sorge, dass sie in den Genuss der Erziehung und der Privilegien kommt, die ihr von Geburt her zustehen.“
Während er sprach, war die Farbe aus Sophies Gesicht gewichen. „Wir leben nicht in erschreckender Armut …“
„Meiner Ansicht nach schon. Ich will dich nicht beleidigen, aber ich muss die Wahrheit sagen.“
„Du darfst sie nicht mit nach Spanien nehmen“, sagte Sophie. Die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen, denn ihr war schlecht, und sie hatte Mühe zu atmen. Allein die Vorstellung, Lydia zu verlieren, wirkte wie ein Schlag in die Magengrube.
„Wieso nicht?“, fragte Antonio und zog eine Augenbraue hoch. Sophie war inzwischen kreidebleich geworden und drückte das Baby fest an sich. Ihre Reaktion ärgerte und frustrierte ihn zugleich. Schließlich hatte er nur gute Absichten,
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