Castillo der Versuchung
durfte nicht die Segel streichen, schließlich hatte sie noch gar nicht versucht, vernünftig mit Antonio zu reden. Wieso sollte er sich die gesamte Verantwortung für ein Baby aufbürden? Er war doch Single. Als Lydia zu schreien begonnen hatte, war er mit den Nerven am Ende gewesen. Eigentlich brauchte sie ihn nur davon zu überzeugen, dass sie in der Lage war, seiner Nichte ein sicheres und liebevolles Zuhause zu geben. Vielleicht würde sie in eine Wohnung ziehen müssen, die seinen Ansprüchen genügte. Wenn er ein bisschen zu Lydias Unterhalt beisteuerte, wäre das bestimmt möglich.
Antonio hatte gerade sein Frühstück beendet, da informierte ihn der Oberkellner, dass in der Lobby eine Besucherin auf ihn wartete. Als Antonio die Empfangshalle betrat, erhob sich eine grauhaarige ältere Frau und stellte sich als Norah Moore vor. „Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sophie schon seit Jahren“, verkündete sie dann nervös. „Ich weiß, dass es noch sehr früh ist, aber ich wollte unbedingt mit Ihnen sprechen, bevor Sie Sophie wiedersehen.“
Antonio reichte ihr die Hand. „Bitte nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie etwas trinken? Einen Tee vielleicht?“
„Sophie hat mir schon gesagt, dass Sie immer außerordentlich höflich sind … Und wie ich sehe, hatte sie recht. Aber, nein danke“, erklärte Norah eilig. „Ich bin nur hier, weil ich mir Sorgen um Sophie mache.“
„Wie kann ich Ihnen da weiterhelfen?“
„Sophie kümmert sich wirklich vorbildlich um Lydia und ist ganz vernarrt in die Kleine. Bitte trennen Sie die beiden nicht.“
„Ich will nur das Beste für meine Nichte“, erklärte Antonio freundlich.
„Sophie und Lydia stehen einander so nah wie Mutter und Tochter. Außerdem wollte Belinda, dass Sophie die Kleine ganz in ihre Obhut nimmt. Wussten Sie das?“
„Nein, das war mir nicht bekannt.“
„Da wäre noch etwas“, fuhr Norah betrübt fort. „Etwas, das ich Ihnen eigentlich nicht erzählen dürfte.“
„Ich kann schweigen wie ein Grab.“
„Sophie hatte als Kind Leukämie, und die Behandlung … nun, Sie wird wohl nie eigene Kinder bekommen können. Wussten Sie davon?“
„Nein, auch davon hatte ich keine Ahnung“, antwortete Antonio, den plötzlich Gewissensbisse plagten. Rückblickend betrachtet, hatte er sich Sophie gegenüber wie ein gefühlloser Barbar benommen.
„Deshalb ist das Baby Sophie auch so ans Herz gewachsen“, fuhr Norah Moore fort.
„Ich denke, ich habe Sie verstanden, Mrs. Moore.“
Nachdem er Norah zu ihrem Wagen begleitet hatte, kehrte Antonio mit großen Schritten ins Hotel zurück. Wenn er Sophie das Kind wegnahm, tat sie sich womöglich etwas an. Er atmete tief durch. Ihm war nun bewusst geworden, dass Lydia genauso Sophies Nichte war wie seine.
4. KAPITEL
Später an diesem Morgen sah Sophie Antonios Limousine auf dem Campingplatz vorfahren und verließ nervös ihren Wohnwagen.
„Eine Freundin kümmert sich um Lydia“, erklärte sie Antonio, als sie auf ihn zuging. „Ich dachte, wir könnten ein bisschen am Strand entlanglaufen und uns unterhalten.“
„Mit einem Dach über dem Kopf wären wir ungestörter.“ Antonio hätte nie gedacht, dass es jemandem bei diesem Wetter in den Sinn kommen könnte, am Meer spazieren zu gehen. „Warum setzen wir uns nicht in deinen Wohnwagen?“
Sophie erstarrte. „Ich möchte nicht, dass du siehst, wie ich wohne.“
Verwundert zog Antonio eine Augenbraue hoch. „Warum nicht?“
Sophie hatte schon den Pfad eingeschlagen, der zum Strand hinunterführte. „Am Wasser sind wir ebenbürtig“, rief sie ihm über die Schulter zu.
Antonio war nicht für einen Spaziergang angezogen und überlegte, ob Sophie ihm eine Lektion erteilen wollte oder insgeheim hoffte, er würde die Nerven verlieren, wenn er Sand in die Schuhe bekam. Jetzt lief sie wie ein ungeduldiges Kind vor ihm her, voller Energie, aber auch wie ein kleiner Trotzkopf. Doch wenn sie erst einmal in Spanien lebte, hätte er wieder das Sagen …
„Nach unserem Gespräch gestern Abend habe ich mir einen Kompromiss überlegt“, begann er in seinem geschliffenen Englisch mit dem leicht spanischen Akzent.
„Tatsächlich?“ Sophies Laune besserte sich schlagartig. Hoffnungsvoll sah sie ihm in die dunklen Augen.
„Du könntest nach Spanien ziehen, und …“
„Wie bitte? Vergiss es!“
„Hör mich doch bitte erst einmal an. Lydia wird natürlich mit mir im Castillo wohnen, und für dich finden wir schon etwas in der Nähe. Das
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