Castillo der Versuchung
Ernstem aussah. Schließlich verabschiedete sich Sophie und ging langsam wieder hinaus zur Limousine.
„Du brauchst mir nichts zu erzählen, wenn du nicht willst“, meinte Antonio einfühlsam.
„Doch, doch. Du kannst es ruhig wissen. Belinda ist mit einem Haufen verschiedener Typen ins Bett gegangen“, antwortete Sophie. Obwohl sie sich eigentlich nicht anmerken lassen wollte, wie sehr sie das Verhalten ihrer Schwester verurteilte, klang sie betrübt. „Und wir werden wohl niemals herausfinden, wer Lydias Vater ist.“
„Ich bin jetzt ihr Vater“, entgegnete Antonio leise.
„Glaub mir, wenn Lydia alt genug ist, um zu verstehen, dass du dich nur aus Mitleid um uns gekümmert hast, wird sie dir ziemlich schnell sagen, dass sie auch gut und gerne auf dich verzichten kann.“
„Und was, wenn ich dich gar nicht aus Mitleid geheiratet habe, sondern weil ich für immer an deiner Seite sein wollte?“
Sophie blinzelte erstaunt, wiederholte sich seine Worte, überdachte die Aussage sorgfältig und warf Antonio dann einen vorwurfsvollen Blick zu. „Dann wüsste ich, dass es dir einfach nur leidtut, was du gestern gesagt hast, und ich würde dir nicht glauben.“
Der Rückflug nach Spanien kam Sophie endlos vor, denn sie wollte so schnell wie möglich packen und nach England zurückkehren. Dabei musste sie unbedingt so tun, als wäre ihr ohnehin alles egal, und ihr Entschluss stünde fest. Es war ganz wichtig für sie, das Castillo erhobenen Hauptes zu verlassen.
An Bord wurde ein Abendessen serviert, aber Sophie hatte keinen Appetit. Als sie später in der Limousine durch die bewaldete Landschaft fuhren, gab Sophie endlich der Versuchung nach, Antonio zu beobachten. Schließlich würde sie dazu in Zukunft kaum noch Gelegenheit bekommen. Er sah völlig unbeteiligt aus. Aber er besaß ja auch ein enormes Taktgefühl. Es wäre wohl ziemlich unhöflich gewesen, breit grinsend dazusitzen, während er sich vorstellte, dass er nun bald geschieden sein würde und seine Freiheit wiederhätte.
Wie lange würde sie wohl brauchen, um über ihn hinwegzukommen? Als sie sich mit diesem quälenden Gedanken befasste, hatte Sophie den Eindruck, die ganze Welt würde von einer riesigen Gewitterwolke eingehüllt, die kein Licht mehr durchließ. Schon einmal hatte sie versucht, Antonio zu vergessen … Jetzt war ihre ganze Aufmerksamkeit auf sein markantes Profil gerichtet, auf sein tiefschwarzes Haar, seine klassische Nase, die dunklen Wimpern und seinen großen, sinnlichen Mund. Unwillkürlich spürte sie ein Ziehen im Bauch und fragte sich, ob es ihr wohl gelingen würde, ihn noch einmal ins Bett zu bekommen. Dieser Gedanke beschämte sie so sehr, dass sie zur Strafe auf ihrer Seite aus dem Fenster sah.
Als dann die Wehrtürme des Castillo am Horizont auftauchten, wurde Sophie aufgeregt. Vor den dunkel bewaldeten Hügeln im Hintergrund sah Antonios Geburtshaus einfach wunderbar aus. Trotz seiner enormen Größe war das alte Gemäuer auch für sie unbemerkt zum Zuhause geworden.
Unwillkürlich biss sich Sophie auf die Lippe und bemühte sich, ihre Tränen zurückzuhalten. Dabei dachte sie an ihre gemeinsamen Morgen auf dem schmiedeisernen Balkon ihres Wohntrakts, an denen Antonio ihr so oft frisches Obst zum Frühstück geschnitten hatte, während sie sich wie eine Prinzessin vorkam. Sie dachte auch daran, wie er versucht hatte, ihr das Autofahren beizubringen. Sie erinnerte sich an ihre Nervosität vor der ersten Dinnerparty und dass Antonio ihr Mut gemacht hatte.
Als sie gleich darauf ausstiegen, kamen sie stillschweigend überein, erst einmal ins Kinderzimmer hinaufzugehen. Lydia schlief tief und fest in ihrem Bettchen und ahnte nichts von den Offenbarungen, die die Welt der Erwachsenen auf den Kopf gestellt hatten.
„Wirst du sie besuchen kommen?“, hörte sich Sophie mit ganz dünner Stimme fragen. Doch es folgte nur ein langes, schmerzliches Schweigen. Früher hatten sie hier miteinander gelacht und sich über Lydia unterhalten. Hastig wandte sich Sophie zum Gehen.
„Warum sollte ich sie besuchen kommen?“, fragte Antonio jetzt und folgte Sophie. „Sie bleibt hier.“
„Du hast kein Recht –“
„Hier geht es nicht um Rechte. Egal, was zwischen uns passieren wird, beabsichtige ich, auch weiterhin eine aktive Rolle in Lydias Leben zu spielen.“
„Das will ich erst einmal sehen!“, erwiderte Sophie.
„Ich halte meine Versprechen, mi amada. Was ich sage, tue ich –“
„Oh, hör bloß auf, so formell
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