Casting fuer die Liebe
unterm Jahr einfach so hingehen?«, frage ich skeptisch.
»Soviel ich weiß, machen da sowieso immer viel zu wenige Leute mit. Weißt du noch die Vorführung letztes Jahr beim Sommerfest?«
Ich nicke. »Vermutlich nimmt uns die Brandstätter mit Handkuss.«
Dann zucke ich plötzlich zusammen.
»Müssen wir dann etwa auch beim Sommerfest auftreten?«, frage ich erschrocken. Die Aussicht ist wenig verlockend. Es ist natürlich etwas ganz anderes, vor unseren Lehrern in bauchfreien Tops herumzuhampeln, als zwischen den besten Popstars der Welt auf dem Fernsehbildschirm zu erscheinen.
»Ach was«, gibt Isabel zurück. »Bis dahin sind wir längst viel gefragte Backgroundtänzerinnen und nur noch zu Benefizkonzerten am Käthe-Kollwitz.«
Wir müssen beide lachen.
Uns fällt noch eine ganze Reihe von Dingen ein, die wir bis zum 22. Dezember gemacht haben wollen.
Strähnchen zum Beispiel. Und jede Menge Sit-ups gegen den Hüftspeck. Und Rohkost-Teller. Aus demselben Grund.
»Und wann erledigen wir jetzt eigentlich die Sache mit der Enthaarungscreme?«, frage ich, als wir am späten Nachmittag bestens gelaunt unten an der Garderobe stehen und sich Isabel gerade zum dritten Mal ihren geringelten XX L-Schal um den Hals schlingt.
Unseren Wahnsinnscoup gegen meinen Bruder hätten wir in der ganzen Aufregung ja fast vergessen!
»Morgen! Ich mopse die Tube von meiner Mama. Dann müssen wir dafür kein unnötiges Geld ausgeben. Das brauche wir ja jetzt für die Fahrkarte nach München!«
Isabel lächelt mir verschwörerisch zu. Sie sieht einfach toll aus dabei. Süß und trotzdem geheimnisvoll. Wenn ich Dominik wäre – ich würde sie sofort für alles Mögliche engagieren!
»Spitzenplan«, antworte ich und hoffe, dass es dabei im Gegensatz zum Mathelernen nicht bei der bloßen Theorie bleibt.
Tanzen, die Erste
I sabel fängt mich am nächsten Morgen am Schwarzen Brett ab.
»Wir haben Glück, Süße!«, begrüßt sie mich. »Unser Einzug in die Popgeschichte beginnt bereits heute Nachmittag!«
»Ich dachte, das Casting ist erst am 22.!«, entgegne ich verwirrt.
»Das Casting schon. Aber Modern Dance ist heute um 14.45 Uhr.«
Isabel tippt auf den Stundenplan mit den Wahlfächern.
»Ist doch perfekt, oder? Wir haben nach der Schule prima Zeit, unsere Sportklamotten von zu Hause zu holen, und dann, haha, werden wir wie wild die Tanzbeine schwingen!«
Isabel quatscht mal wieder wie ein Wasserfall.
Ich habe die ganze Nacht nur wirres Zeug von irgendwelchen Schulaufführungen geträumt und brauche erst mal ein bisschen, um ganz da zu sein.
Erst als Miri und Manu grinsend an uns vorbeitippeln, bin ich mit einem Schlag hellwach. Was ist denn mit den beiden los? Manu kichert die ganze Zeit und Miri tanzt regelrecht die Treppe hoch. Fehlt nur noch, dass sie Pirouetten dreht!
»Ob M&M auch von dem Casting gelesen haben?«, frage ich beunruhigt.
Isabel legt den Kopf schief. »Falls nicht, sollte man ihnen schnellstens den Zugang zum Internet sperren. Aber ich befürchte, dazu müssten wir ins Wahlfach Informatik gehen und nicht in Modern Dance.«
»Die beiden sehen geradezu ekelhaft fröhlich aus – ich könnte wetten, dass sie sowieso schon Bescheid wissen!«, mutmaße ich und lege die Stirn in Falten.
»Ach was, die sind einfach noch gepusht von Miris Begegnung mit Philipp beim Zahnarzt«, versucht mich Isabel zu beruhigen.
Ich kann mich trotzdem den ganzen Vormittag nicht richtig konzentrieren. Ständig muss ich an das Casting denken.
Es wäre doch zu doof, wenn unsere Erzfeindinnen auch in München auftauchen würden! Das würde meine Vorfreude auf den 22. massiv trüben. Schwärzer als den dunkelsten Tümpel, um genau zu sein.
In der Pause nehmen wir M&M gründlich ins Visier.
»Die benehmen sich genauso bescheuert wie immer«, stellt Isabel trocken fest, nachdem wir die beiden eine Weile beobachtet haben.
Aber ich bin mir da nicht so sicher. Miri wirkt total aufgekratzt! Und wenn ich ganz ehrlich bin, steht ihr die gute Laune nicht mal schlecht.
Nicht auszudenken, wenn sie beim Casting mitmachen und auch noch gewinnen würde! Vielleicht findet Philipp ja Gefallen an ihr.
Mein
Philipp!
Isabel scheint Gedanken lesen zu können. »Die soll sicherst mal die Haare bürsten!«, flüstert sie mir ins Ohr. Und dann lauter: »Aber da kommt kein Kamm durch.«
Isabels Aufmunterungsversuche sind nett, aber tatsächlich retten ein paar Schnecken meine angefressene Laune.
In der fünften Stunde haben wir Bio.
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