Casting fuer die Liebe

Wirbellose Kriechtiere stehen auf dem Lehrplan.
    »Wer von euch möchte ein Referat über die Weinbergschnecke halten?«, fragt Frau Steiner und hält ein riesiges, leeres Schneckenhaus in die Höhe.
    Mich schüttelt es ein bisschen. Ich muss an die bedauernswerten Schnecken denken, die mein Bruder regelmäßig mit einem halben Liter Knoblauchsoße verspeist, wenn wir zum Italiener gehen.
    »Wenn sich keiner meldet, muss ich leider jemanden bestimmen«, verkündet Frau Steiner.
    Ihr Blick wandert durch die Reihen. Und bleibt am Tisch direkt vor mir hängen. »Miriam Böhme, wie wäre es mit dir?«
    Miri lässt die Schultern baumeln und nickt pflichtschuldig.
    Und dann höre ich etwas, das mich so glücklich macht, dass ich sogar ein Gläschen Knoblauchsoße auf ex darauf trinken könnte!
    »Mist«, grummelt Miri. »Und mein Internetzugang funktioniert gerade nicht. Jetzt muss ich in die blöde Bibliothek gehen.«
    »Das ist echt ätzend«, stimmt Manu zu. »Zu Weihnachten bekomme ich endlich auch einen Computer!«
    Schön für dich, liebe Manu, denke ich schadenfroh. Aber Weihnachten wird es definitiv zu spät sein!
    Augenblicklich rast meine Stimmung von 0 auf 100! Hurra, das Casting ist gerettet!
    Selbst wenn Miri und Manu irgendwann davon erfahren, wird Isabels und mein Vorbereitungsvorsprung so groß sein, dass die beiden keine Chance mehr gegen uns haben.
    Jetzt heißt es in Windeseile Tanzen lernen!
    Frau Brandstätter, wir kommen!

    Bevor wir unsere Lektion in Modern Dance absolvieren können, müssen wir allerdings noch eine Stunde Mathe über uns ergehen lassen.
    Und sofort bekommt unsere Hochstimmung einen kleinen Dämpfer.
    Isabel malt gerade bunte Sterne in mein Heft, als sich der Schatten vom Giftzwerg darüberlegt.
    »Isabel, Leonie! Wie ich sehe, glaubt ihr, nicht aufpassen zu müssen«, zischt er zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Ich bin gespannt auf eure Zensuren!«
    Ich zucke zusammen. Auweia, denke ich, jetzt heißt es wohl wirklich lernen. Unser Mathelehrer hat uns voll auf dem Kiecker!
    Aber Isabel bleibt wie immer gelassen. Als sich der Giftzwerg wieder zur Tafel umdreht, kritzelt sie einfach weiter in mein Heft.
    »Wo die Sonne der Weisheit tief steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!«, lese ich. Wie Isabel in dieser Situation nur an ihre verdrehten Sprichwörter denken kann!
    Zu Weihnachten wünsche ich mir ein neues Nervenkostüm.
    Das gleiche, das Isabel hat!

    »Meine Trainingshose hat ein Loch«, jammere ich, als wir uns knapp drei Stunden später vor der Turnhalle unserer Schule wiedertreffen.
    »Der lahmen Truppe, die uns da drinnen erwartet, wird das herzlich egal sein«, antwortet Isabel, während sie ihr Fahrrad abschließt.
    »Weißt du eigentlich, wer alles genau in Modern Dance ist?«, frage ich, als wir uns auf den Weg Richtung Lehrerumkleide machen. Bevor wir uns in unsere Sportklamotten werfen, wollen wir nämlich erst mal mit Frau Brandstätter reden.
    »Ich hab mich erkundigt«, nickt Isabel. »Emma und Line aus unserer Klasse. Sonja, Micha und Fanny aus der Parallel.«
    Das beruhigt mich. »Dann sind zumindest schon mal keine Zicken in pinkfarbenen Aerobic-Dressen dabei«, sage ich und grinse.
    Bis zum nächsten Mal Schulsport brauche ich dringend neue Klamotten, aber für diesen Kurs hier wird die alte Hose wohl reichen.

    Wir wollen gerade an der Lehrerumkleide klopfen, als wir von drinnen Stimmen hören. Isabel legt den Finger auf den Mund.
    »Hör mal!«, flüstert sie.
    »Aber bis zu diesem Casting sind es ja keine drei Wochen mehr«, sagt Frau Brandstätter gerade.
    »Bumm!«, macht mein Herz und setzt dann erst mal aus.
    »Wir brauchen ja auch nur ein paar Tipps!«, sagt eine hohe Mädchenstimme.
    »Verraten Sie uns einfach ein paar tolle Moves«, ereifert sich eine andere.
    »Hab ich eigentlich Miri und Manu aufgezählt?«, fragt Isabel wutschnaubend und pfeffert mit voller Wucht ihre Sporttasche in die Ecke.

    »Ich fass es einfach nicht! Jetzt sind uns die beiden Zicken schon wieder zuvorgekommen!« Isabel tritt mit dem Fuß gegen den Fahrradständer.
    Wir haben uns sofort wieder aus dem Staub gemacht. Drinnen hätten wir es keine Sekunde länger ausgehalten.
    »Casting mit Miri und Manu! Ich könnte heulen!«, jammere ich.
    »Verraten Sie uns einfach ein paar tolle Moves«, äfft Isabel Miri nach und wackelt dabei übertrieben mit den Hüften.
    »Aber woher wissen die beiden nur von dem Casting?«, frage ich niedergeschlagen und wuchte dabei meine