Castle 1 - Castle, R: Castle 1
Idee gegen die Alternative ab, sich von irgendeinem Komiker im Spätprogramm ablenken zu lassen, der zumindest am nächsten Morgen nicht das Bad blockieren würde. Doch es gab noch eine andere Alternative.
Zwanzig Minuten später saß Heat auf ihrem Drehstuhl im leeren Hauptraum des Reviers und grübelte über das Mordfallbrett nach. Sie hatte sich bereits all die bisherigen Fakten eingeprägt, die darauf geschrieben standen oder daran festgeklebt worden waren und einfach noch kein zusammenhängendes Bild ergaben: die Liste der Fingerabdrücke; die grüne Karteikarte mit den Stichpunkten über Kimberly Starrs Alibi und ihre früheren Leben; Fotos von Matthew Starrs Leiche auf dem Bürgersteig; Fotos aus der Gerichtsmedizin, die die Blutergüsse auf Starrs Oberkörper zeigten und auf denen die sechseckige Form hervorstach, die von einem Ring hinterlassen worden war.
Sie stand auf und trat zu dem Foto mit dem Ringabdruck. Anstatt einfach nur seine Form und Größe zu begutachten, lauschte Heat dem Abdruck, denn sie wusste, dass jedes Beweisstück eine eigene Stimme entwickeln konnte. Im Gegensatz zu allen anderen Puzzlestücken auf der Tafel flüsterte ihr dieses Foto etwas zu. Sie hatte das Flüstern schon den ganzen Tag über ihm Ohr, und nun hatte es sie in der Stille der Nacht ins Revier gelockt, denn hier konnte sie es laut und deutlich hören. Und was es flüsterte, war eine Frage: „Warum würde ein Mörder, der einen Mann von einem Balkon stößt, seinem Opfer zuvor noch Verletzungen dieser Art beibringen?“ Diese Blutergüsse waren keine zufälligen Blessuren von irgendeiner Rangelei. Sie waren präzise ausgeführt und folgten einem Muster, manche von ihnen überlappten sich sogar. Don, ihr Boxtrainer, nannte so etwas den Gegner „bemalen“.
Das Erste, was Nikki Heat eingeführt hatte, als sie das Kommando über ihre Einheit beim Morddezernat übernahm, war ein System, das das Teilen von Informationen erleichterte. Sie loggte sich auf dem Server ein und öffnete die Datei mit der Bezeichnung OCHOA. Nach einigen Seiten fand sie seine Zeugenbefragung des Portiers des Guilfords. Man musste Ochoa einfach lieben, dachte sie. Er konnte zwar nicht besonders gut tippen, aber er machte sich erstklassige Notizen und stellte die richtigen Fragen.
F: Hatte Opfer Geb. im Lauf d. Morgens verl.?
A: N.
Nikki schloss Ochoas Datei und sah auf die Uhr. Sie könnte ihrem Boss eine SMS schicken, aber er würde sie vielleicht nicht sehen, denn vermutlich schlief er längst. Mit den Fingern auf dem Telefon herumzutrommeln, machte es auch nicht früher, also wählte sie schließlich seine Nummer. Nach dem vierten Klingeln räusperte Heat sich und bereitete sich darauf vor, eine Nachricht zu hinterlassen, doch dann nahm Montrose ab. Sein „Hallo“ klang nicht verschlafen, und im Hintergrund konnte sie den Wetterbericht aus dem Fernseher dröhnen hören. „Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät für einen Anruf, Captain.“
„Wenn es zu spät ist, gibt es keine Hoffnung mehr. Was ist los?“
„Ich bin aufs Revier gegangen, um mir das Überwachungsvideo aus dem Guilford anzusehen, aber es ist noch nicht hier. Wissen Sie wo es ist?“
Ihr Boss hielt die Hand über den Telefonhörer und sagte etwas Unverständliches zu seiner Frau. Als er sich wieder Nikki zuwandte, waren die Fernsehgeräusche im Hintergrund verschwunden. „Ich habe heute Abend während des Essens einen Anruf von dem Anwalt erhalten, der die Bewohner vertritt. In diesem Gebäude leben einige sehr wohlhabende Personen, die ein wenig sensibel sind, wenn es um ihre Privatsphäre geht.“
„Haben die auch Probleme damit, dass ihre Nachbarn an ihren Fenstern vorbeifallen?“
„
Mich
müssen Sie nicht überzeugen. Doch um diese Leute dazu zu bringen, uns das Überwachungsvideo zur Verfügung zu stellen, wird wohl ein Gerichtsbeschluss notwendig sein. Und wenn ich so auf die Uhr schaue, denke ich, wir sollten besser bis morgen früh warten, um einen Richter zu finden, der uns einen ausstellt.“ Sie seufzte extra laut, damit es ihm nicht entging. Heat konnte es nicht ausstehen, einen weiteren Tag zu verlieren, weil man auf einen Gerichtsbeschluss warten musste. „Nikki, gönnen Sie sich ein wenig Schlaf“, sagte er auf seine übliche sanfte Weise. „Wir kümmern uns morgen darum.“
Natürlich hatte der Captain recht. Einen Richter aus dem Bett zu klingeln, um einen Gerichtsbeschluss zu bekommen, war etwas, das man nur in äußerst dringenden Fällen
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