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Castle 1 - Castle, R: Castle 1

Castle 1 - Castle, R: Castle 1

Titel: Castle 1 - Castle, R: Castle 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Castle
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gewesen. Zeit spielte keine Rolle. Sie spielte nie eine Rolle, wenn sie
die Nacht
noch einmal in ihrem Kopf abspielte.
    Es waren ihre ersten Thanksgiving-Ferien vom College seit der Scheidung ihrer Eltern gewesen. Nikki hatte den Tag zusammen mit ihrer Mutter verbracht. Sie waren auf eine Shoppingtour gegangen – eine Thanksgiving-Tradition, die sich zu einer heiligen Mission entwickelt hatte, seit ihre Mutter wieder Single war. Ihre Tochter war fest entschlossen, ihr nicht nur das beste Thanksgiving aller Zeiten zu bescheren, sondern es trotz des leeren Stuhls am Kopfende des Tisches und der Erinnerung an glücklichere Tage auch so normal wie möglich zu gestalten.
    An diesem Abend quetschten sie sich in der winzigen Küche der Wohnung ihrer Mutter in New York aneinander vorbei, wie sie es schon immer getan hatten, und machten Kuchen für den nächsten Tag. Während sie gemeinsam den gekühlten Teig ausrollten, verteidigte Nikki ihren Wunsch, ihr Hauptfach zu wechseln. Statt Englisch wollte sie nun Schauspiel studieren. Wo waren die Zimtstangen? Wie konnten sie nur die Zimtstangen vergessen? Fertig gemahlener Zimt hatte in dem Festtagskuchen ihrer Mutter nichts verloren. Sie rieb die benötigte Menge höchstpersönlich von einer Zimtstange, und wie hatten sie das überhaupt auf ihrer Einkaufsliste übersehen können?
    Nikki fühlte sich wie eine Lottogewinnerin, als sie ein Glas davon im Gewürzregal des Morton-Williams-Supermarks in der südlichen Park Avenue fand. Zur Sicherheit zog sie ihr Handy aus der Tasche und rief in der Wohnung an. Es klingelte und klingelte. Als der Anrufbeantworter dranging, fragte sie sich, ob ihre Mom das Telefon vielleicht nicht gehört hatte, weil der Mixer so laut war. Doch dann nahm sie ab. Über dem Fiepen des Anrufbeantworters, der auch weiterhin lief, entschuldigte sie sich und erklärte, dass sie sich gerade Butter von den Händen gewischt hatte. Nikki hasste das unangenehm hallende Geräusch des Anrufbeantworters, aber ihre Mutter wusste nie, wie man das verdammte Ding abstellte, ohne den Anruf zu unterbrechen. Sie fragte, ob sie noch etwas anderes aus dem Supermarkt bräuchten und wartete, während ihre Mutter das tragbare Telefon mitnahm, um nachzusehen, ob sie noch genug Kondensmilch hatten.
    Und dann hörte Nikki das Geräusch zerbrechenden Glases. Und den Schrei ihrer Mutter. Ihre Glieder wurden taub, und sie rief nach ihrer Mom. Die Leute in der Schlange an der Kasse drehten sich zu ihr um. Ein weiterer Schrei. Als sie hörte, wie das Telefon am anderen Ende der Leitung zu Boden fiel, ließ Nikki das Glas mit den Zimtstangen fallen und lief zum Ausgang. Nein, verdammt, das war der Eingang. Sie öffnete die Tür mit roher Gewalt und lief auf die Straße hinaus, wo sie fast von einem Fahrradkurier umgefahren wurde. Die Wohnung lag zwei Blocks entfernt. Sie presste das Handy an ihr Ohr und rannte los. Die ganze Zeit über flehte sie ihre Mom an, irgendetwas zu sagen, das Telefon in die Hand zu nehmen. Was war denn los? Sie hörte eine Männerstimme, Geräusche, die auf einen Kampf hindeuteten. Das Wimmern ihrer Mutter und den dumpfen Laut, als ihr Körper neben dem Telefon aufprallte. Das Scheppern von Metall, das auf den Küchenboden fiel. Nur noch ein Block. Das Klirren der Flaschen im Fach in der Kühlschranktür. Das Knacken und Zischen der Aufreißlasche einer Getränkedose. Schritte. Stille. Und dann das schwache heisere Stöhnen ihrer Mutter. Und dann nur noch ein Flüstern. „Nikki …“

VIER
    Nikki ging nach dem Film doch nicht nach Hause. Sie stand in der warmen, schwülen Luft der Sommernacht auf dem Bürgersteig und sah zu ihrer Wohnung hinauf. Es war die gleiche, in der sie als kleines Mädchen gelebt und die sie dann verlassen hatte, um in Boston aufs College zu gehen. Und dann hatte sie sie noch einmal verlassen, um Zimtstangen zu kaufen, weil fertig gemahlener Zimt nicht genügte. Das Einzige, was es in dieser Wohnung mit den zwei Schlafzimmern dort oben gab, war Einsamkeit ohne Frieden. Sie könnte wieder neunzehn sein und eine Küche betreten, in der das Blut ihrer Mutter langsam unter den Kühlschrank floss, oder – sofern es ihr gelang, die Bilder jener Nacht aus ihrem Kopf zu vertreiben – sich die Nachrichten im Fernsehen anschauen und von noch mehr Verbrechen erfahren.
    Sie dachte darüber nach, Don eine SMS zu schreiben, um herauszufinden, ob ihr Nahkampftrainer Lust auf ein paar Bier und eine Trainingsrunde im Schlafzimmer hatte, und wog diese

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