Castle 3: Heat Rises - Kaltgestellt (German Edition)
einen leisen Fluch, und musste ihre Wohnung zum ersten Mal seit sehr langer Zeit unbewaffnet verlassen.
Die beste Möglichkeit, während einer Schneephase in New York voranzukommen, war unterirdisch. Wie üblich nahm Nikki eine U-Bahn an der Park Avenue South und fuhr damit bis zur Bleeker Street, wo sie in die Bahn nach Uptown umsteigen wollte. Während sie auf dem Bahnsteig wartete, vollführte sie das Ritual des Berufspendlers, indem sie sich alle sechzig Sekunden an der Kante vorbeugte und den dunklen Tunnel nach den strahlenden Scheinwerfern des einfahrenden Zuges absuchte. Dadurch kam der Zug nicht schneller, aber wenigstens hatte sie so noch etwas anderes zu tun, als zwischen den schmutzigen Schienen nach vorbeihuschenden Ratten Ausschau zu halten.
Nikki machte ihren Scheinwerfercheck, ihren Rattencheck und dann machte sie außerdem noch einen Bahnsteigcheck. Heute Morgen hatte vor ihrer Wohnung kein Streifenwagen gestanden – kein Pitbull, dem man einen knappen Gruß zunicken oder einen Kaffee bringen konnte. Mit dem Einziehen ihrer Marke hatten sie auch den Schutz abgezogen. Nikki konnte keine Bedrohung entdecken, stieg in ihren Zug, um nach Uptown zum 20. Revier zu fahren, und schaffte es, sich ein wenig zu entspannen.
Aber ihre inneren Dämonen quälten sie weiter. Sie war schon immer eine schnelle Denkerin gewesen, die die Ereignisse verlangsamen konnte und selbst unter enormem Druck mit den verrücktesten Ablenkungen zurechtkam. Doch jetzt gelang es Nikki einfach nicht, den Gedanken abzuschütteln, dass ihr gesamtes Leben innerhalb eines Augenblicks auf den Kopf gestellt worden war. Was zum Teufel war mit ihr los? Sie war stolz darauf, skeptisch, aber nicht paranoid zu sein, doch Heat glaubte ernsthaft, dass sie von jemandem reingelegt worden war. Aber warum? Und von wem?
Es schmerzte sie, dass ein paar Hundert Worte in einer unbedeutenden Zeitung dafür sorgen konnten, dass sie ihren Job verlor. Dieser verdammte Artikel.
Und Rook.
Das war der schlimmste Schmerz. Sie hatte Opfer für diesen Kerl gebracht. Auf diesen Kerl gewartet. Etwas für diesen Kerl empfunden, das über die gemeinsame Zeit im Schlafzimmer hinausging … oder wo immer sie sonst noch übereinander herfielen. Nikki ließ sich nicht leichtfertig auf Männer ein, und dieser Verrat durch Rook war der Grund dafür. Heat dachte über ihre Antwort bei der mündlichen Prüfung nach, bei der es um ihre größte Schwäche gegangen war, und gestand sich ein, dass diese Antwort nur ein Vorwand gewesen war. Ja, sie identifizierte sich voll und ganz mit ihrem Job. Doch ihr größter Fehler bestand nicht darin, dass sie sich zu sehr auf ihre Karriere konzentrierte. Es war ihre Weigerung, verletzlich zu sein. Unbewaffnet, wie sie war – im wahrsten Sinne des Wortes –, hatte sie sich auch auf emotionaler Ebene mit Rook eingelassen.
Das war die Kugel, die sauber durch ihre Seele geschossen worden war.
Was zum Teufel machte sie hier im Hauptraum? Die anderen fragten sie das nicht. Nikki fragte es sich selbst.
Als sie ihren Mantel angezogen und sich einen Weg über den schneebedeckten Bürgersteig gebahnt hatte, um von ihrer Wohnung zur U-Bahn-Station zu gelangen, hatte Nikki beschlossen, dass sie ein paar Sachen von ihrem Schreibtisch brauchte. Da sie nicht wusste, wie lange diese Suspendierung dauern würde – oder ob sie vielleicht sogar dauerhaft war –, musste sie noch einmal aufs Revier, denn dort befanden sich Materialien, die sie bei sich zu Hause haben wollte. Als sie die Stufen der U-Bahn-Station unter dem Naturkundemuseum hochstieg und in Richtung Columbus Avenue stapfte, hatte sie sich davon überzeugt, dass es beim Betreten des Hauptraums in erster Linie um Würde ging. Und um diesen schmutzigen Kaffeebecher, auf den Roach sie aufmerksam gemacht hatten.
Doch der wahre Grund für ihren Besuch war, dass die Polizistin in ihr nach Informationen verlangte. Und was Nikki herausfand, bestärkte ihren Verdacht bezüglich ihrer Suspendierung nur noch mehr.
Gleich nachdem sie durch die Tür gekommen war, zogen Roach sie in eine stille Ecke. „Was haben Sie sich dabei gedacht?“, fragte Ochoa.
„Ja, warum mussten Sie sich unbedingt jetzt suspendieren lassen?“, fügte Raley hinzu. „Ihr Timing ist echt daneben.“
„Sie sind uns nicht so wichtig“, sagte sein Partner, „aber die Graf-Ermittlung steckt kopfüber im Straßengraben und alle vier Räder drehen sich sinnlos in der Luft.“
„Muss ich fragen, warum?“ Nikki
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